Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

§ 37. Die Folgen der Kreuzzüge in Deutschland 
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am Heiligen Kriege nichts nützen würde. Dank all diesen Maßnahmen 
fühlten sich die Juden wieder sicherer, und schon im April begannen 
die Mainzer Flüchtlinge aus der sie beherbergenden Burg in die Stadt 
heimzukehren. 
„All dies hat uns nicht wenig Geld gekostet“, fügt ein zweiter Au 
genzeuge dieser Geschehnisse hinzu. Indessen war es nicht allein das 
den Machthabern unmittelbar im Augenblick der Gefahr zugewendete 
Geld, welches die deutschen Juden vor der Wiederholung einer Kata 
strophe wie der des Jahres 1096 bewahrt hat; die Sicherheit von Le 
ben und Besitz wurde den Juden jetzt vielmehr durch jenes Vormund 
schaftssystem gewährleistet, das sich in Deutschland im Laufe des 
den dritten Kreuzzug von dem ersten trennenden Jahrhunderts all 
mählich eingebürgert hatte. Die Kaiser und Lehensfürsten waren in 
zwischen zur Überzeugung gekommen, daß durch den Ruin der 
Judenheit, dieses wirtschaftlichen Hauptnervs des städtischen Lebens, 
sowohl ihre persönlichen Interessen als auch die allgemeine Wohlfahrt 
nur Schaden erleiden. So berief schon Heinrich IV., als er nach seiner 
Rückkehr aus Italien die von den Kreuzfahrern angerichteten Verwü 
stungen wahrgenommen hatte, alle Lehensherren nach Mainz zu sich 
und leistete gemeinsam mit ihnen den feierlichen Schwur, in den kom 
menden Jahren allen Ständen, darunter auch den Juden, gegenüber 
den „Landfrieden“ aufrechtzuerhalten (iio3). Die jüdische Bevöl 
kerung war bereits als ein organisches Glied in die von Kirchlich 
keit und Feudalismus, von starrer Tradition, Leibeigenschaft und Ka 
stengeist geschmiedete Kette des mittelalterlichen Lebens fest einge 
fügt; dieses Kettenglied zu beseitigen, hieß die ganze Kette sprengen, 
vor allem aber die herrschende Klasse einer wichtigen Einnahmequelle 
und einer der Triebfedern des Finanzmechanismus berauben. Es kam 
noch hinzu, daß im Deutschland des XII. Jahrhunderts die Juden 
nicht in dem Maße an das Geld- und Kreditgeschäft gebunden waren 
wie ihre kapitalskräftigeren französischen und englischen Brüder. Vor 
wiegend waren unter ihnen vielmehr kleine Vermittler im Warenhan 
del sowie von Zinsgeschäften lebende kleinere Geldgeber. Die beschei 
denen Mittel dieser jüdischen Handelsleute waren nun nicht dazu an 
getan, die Habgier der Herrschenden so zu reizen wie die großen 
Reichtümer der Bankiers und Steuerpächter in Frankreich und Eng 
land. Auch waren die deutschen Kaiser noch nicht auf den Gedanken 
gekommen, die Bevölkerung durch die Juden auspumpen zu lassen,
	        
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