Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

§ 3. Italien unter den Ostgoten und Langobarden 
wordene renoviert werden durften, unter der Voraussetzung, daß 
der Bau nicht erweitert oder durch neue Verzierungen ausgeschmückt 
werde. Auch noch in einen anderen Erlaß des Gotenkönigs glaubte 
sein gottesfürchtiger Ratgeber folgende polemische Bemerkung ein 
schalten zu müssen: „Wir geben der Bitte statt, wozu aber erstrebst 
Du, jüdischer Bittsteller, den Frieden hienieden, da Dir doch der 
ewige Frieden versagt bleibt?“ 
Ungeachtet seines ernstlichen Bestrebens, den Triumph der Kir 
che auf den Trümmern der Synagoge zu begründen, trat Theodorich 
den vom christlichen Mob und von der katholischen Geistlichkeit unter 
nommenen Versuchen, die Synagogen zu zerstören oder zu schließen, 
Versuche, die in jenem Zeitalter der Zerstörung der antiken Kultur 
an der Tagesordnung waren, mit allem Nachdruck entgegen. Um das 
Jahr 5io kam es in Rom zu folgendem Zwischenfall. Christliche 
Sklaven, die zum Hausstand einer reichen jüdischen Familie gehör 
ten, erschlugen ihre Herren, worauf die Schuldigen auf Verfügung 
der Behörden die verdiente Strafe erlitten. Um die bestraften Mör 
der zu rächen, begann nun der christliche Pöbel die Juden in den 
Straßen zu mißhandeln und steckte sogar eine der Synagogen in 
Brand. Als Theodorich, der sich gewöhnlich in Ravenna oder Ve 
rona auf hielt, von dem Vörgefallenen Kunde erhielt, geriet er in 
Zorn und forderte den römischen Senat in energischem Tone auf, 
der Sache nachzugehen und die Anstifter der Unruhen streng zu be 
strafen, da es unzulässig sei, daß die Menge sich in dieser Weise 
an den ihr als schuldig Geltenden vergreife. Der König scheint also 
selbst die Ansicht geteilt zu haben, daß die Juden in Rom das den 
Besitz von christlichen Sklaven untersagende Gesetz verletzt hätten, 
und so glaubte er in diesem Falle nur die Selbsthilfe der Menge 
verurteilen zu müssen. Um die gleiche Zeit (519) geschah es, daß 
die christliche Menge, angeblich durch den „Spott der Juden“ über 
kirchliche Zeremonien aufgereizt, in der königlichen Residenz Ra 
venna selbst an die dortigen Synagogen Feuer legte. Die Juden ent 
sandten daraufhin eine Abordnung zu dem König nach Verona und 
flehten ihn um Schutz an; Theodorich befahl nun, daß alle in der 
Stadt lebenden Römer (die zum Arianismus sich bekennenden Goten 
scheinen der Judenhetze fern geblieben zu sein) auf eigene Kosten 
die Synagogen wieder aufbauen sollten, wobei die Unfolgsamen kör 
perliche Strafen zu gewärtigen hatten. Auch in diesem Falle setzte 
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