Die Periode der Kolonisierung
lichkeit Christi und Gottes, nicht aber deren Wesensgleichheit
gelten ließ, weshalb Theodorich bei den orthodoxen Katholiken als
Ketzer verrufen war. Darauf ist zum Teil auch seine Duldsamkeit
den Juden gegenüber zurückzuführen, die das römische Gesetz den
Ketzern gleichstellte. Wiewohl der Kodex des Theodosius im großen
und ganzen nach wie vor in Kraft blieb, brachte man jetzt in der
Praxis der Autonomie der jüdischen Gemeinden größere Achtung
entgegen. Die Sphäre der jüdischen Gerichtsbarkeit wurde erwei
tert „Angesichts dessen, daß die Juden nach ihrem eigenen Gesetze
leben, müssen sie zur Schlichtung ihrer Streitigkeiten auch eigene
Richter besitzen, die bei ihnen zugleich als religiöse Autoritäten gel
ten“ — so heißt es in einem der Edikte des Theodorich. Es war dies
übrigens nur eine Folge jener allgemeinen Verhältnisse, unter de
nen auch die Goten neben der römischen, staatlichen Gerichtsbarkeit
ihre eigene Rechtsprechung beibehalten durften. Auf ein Rittgesuch
der Juden von Genua hin bekräftigte der König ihre alten Privi
legien, indem er erklärte, daß er „in die Erhaltung uralter Rechte
gern einwillige“. Und doch kommt auch in den Erlassen des Theo
dorich nicht selten das für diese Epoche charakteristische Restreben
zum Vorschein, die Juden zum „wahren Glauben“ zu bekehren. Die
Dekrete dieses Königs wurden nämlich gewöhnlich von seinem ge
lehrten Rerater, dem römischen Senator Cassiodor, verfaßt, der ein
eifriger Christ war und in seinen letzten Lebensjahren die Minister
würde mit der Mönchskutte vertauschte. Cassiodor pflegte nun manch
mal die königlichen Erlasse pach Theologenart scharf zu würzen. So
gab er z. ß. den Genueser, Juden, die um die Erlaubnis nachsuchten,
ihre alte Synagoge zu renovieren, im Namen des Königs folgenden
Bescheid (507 und 5n): „Warum, wünscht ihr euch etwas, was
ihr eigentlich vermeiden solltet? Wiewohl wir euch die Genehmigung
erteilen, tadeln wir euren aus Verirrung entspringenden Wunsch.
Übrigens liegt es nicht in unserer Macht, über den Glauben zu ge
bieten, denn man kann niemanden gegen seinen Willen gläubig ma
chen“ 1 ). Infolge dieser Grundauffassung hielt man sich nach wie
vor in aller Strenge an das alte Gesetz des Theodosius, demzufolge
neue Synagogen nicht erbaut und lediglich alte, baufällig ge-
!) „Quid appetitis, quae refugere deberetis? Damus quidem permissum, sed
errantium votum laudabiliter improbamus. Religionem imperare non possumus,
quia nemo cogitur ut credat invitus“. Cassiod. Var. II, 27.
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