Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Das Zeitalter der Kreuzzüge in Mitteleuropa 
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Zu derselben Heldentat rief auch der gottesfürchtige Einsiedler Peter 
von Amiens auf, der den Versammelten in einer eindrucksvollen Rede 
die Leiden der christlichen Pilger in der Heiligen Stadt sinnfällig vor 
Augen führte. Dem Rufe der katholischen Geistlichkeit folgten ohne 
Säumen Männer aus den verschiedensten gesellschaftlichen Schichten: 
große Lehensherr.en, Ritter, Städter und auch schlichte Landleute. 
Die Bewegung griff bald auch auf die Rheinprovinzen Deutschlands 
über. Tausende und Abertausende ließen Haus, Hof und Besitz im 
Stich, nähten auf ihre Gewänder das Zeichen des Kreuzes und zogen 
in den Krieg gegen die „Ungläubigen“. 
Zu Beginn des Jahres 1096 war bereits ein großer Heerbann von 
Kreuzfahrern auf geboten. Tiefempfundene Frömmigkeit und religiöser 
Enthusiasmus verbanden sich in dieser Bewegung mit praktischen 
Erwägungen, mit persönlicher, Gewinnsucht oder mit Klasseneigen 
nutz, ja mit den allergemeinsten menschlichen Trieben. Dem Klerus 
lag vor allem daran, auf den Wogen der religiösen Gefühle zu der 
höchsten Staatsgewalt emporgetragen zu werden; die ritterlichen Le 
hensherren sehnten sich nach kriegerischen Großtaten, reicher Beute 
und nach verheißungsvollen Abenteuern in den muselmanischen Län 
dern; die Bauern traten in die Reihen der Kreuzfahrer, um sich, sei 
es auch nur eine Zeitlang, von der Hörigkeit und der Schulden- und 
Abgabenlast frei zu wissen, während die Frommen aus allen Bevöl 
kerungsschichten auch noch die von dem Klerus verheißene Sünden 
vergebung anlockte, die jedem für den Glauben ins Feld Ziehenden 
zuteil werden sollte. Überdies schloß sich dem Volksheere eine große 
Zahl von dunklen Ehrenmännern, Abenteurern und gemeinen Ver 
brechern an, die nichts als Raub und Mord im Sinne hatten 1 ). Noch 
ehe die Fürsten, der lothringische Herzog Gottfried von Bouillon, der 
Herzog Robert aus der Normandie und andere Zeit hatten, reguläre 
Truppen für den weiten Weg auszurüsten und auszubilden, tauchten 
im Schwabenlande, in Lothringen und an beiden Rheinufern zucht 
lose Haufen von Kreuzfahrern auf, die unter der Anführung von fa- 
natisierten Pfaffen, gierigen Rittern oder sonstigen handfesten Bur 
schen plündernd über die friedliche Bevölkerung in Stadt und Land 
herzufallen begannen; hierbei wurden die Juden nicht nur ausge- 
!) Die jedes Maß übersteigende Zuchtlosigkeit dieser Kreuzfahrerbanden wird 
auch von einem christlichen Zeitgenossen dieser Ereignisse, von Albert aus Aachen 
bezeugt (Albertus Aquentis, Historia hierosolymitanae expeditionis I, cap. 25).
	        
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