Die Periode der Kolonisierung
tigten, glaubte nämlich die Regierung des Honorius den Juden grö
ßeres Entgegenkommen zeigen zu müssen, wohl aus dem Grunde,
um in einer für das Reich so prekären Lage keine neuen Feinde im
Innern des Landes groß zu züchten. So erging denn in diesen Jah
ren eine ganze Reihe von Dekreten, die den Juden allerlei Frei
heiten gewährten. Es wurde vorgeschrieben, die Juden „an dem für
sie heiligen Sabbattage“ weder zur öffentlichen Dienstpflicht her
anzuziehen, noch sie vors Gericht zu zitieren, da auch die anderen
Wochentage Zeit genug dafür böten. Auch das Gesetz über die Un
antastbarkeit der Synagogen und über den dem jüdischen Gottes
dienst zu gewährenden Schutz wurden erneut bestätigt. Die Juden
durften jetzt wieder den Advokatenberuf ausüben. Die bis dahin be
stehende Vorschrift, wonach die Juden keine christlichen Sklaven
besitzen durften, wurde aufgehoben, mit dem einzigen Vorbehalt, daß
die Herren diese Sklaven bei der Ausübung der kirchlichen Riten
nicht behindern sollten 1 ).
Die mildere Behandlung der Juden hing, wie bereits angedeutet,
mit der damaligen kritischen Lage des weströmischen Reiches zu
sammen. In die Regierungszeit des Honorius fallen nämlich die viel
fachen Einbrüche der germanischen „Barbaren“ in Italien und in
die Rom untertänigen Gebiete Galliens und Spaniens; man war ge
zwungen, die Anführer der einbrechenden Banden durch Gold zu
beschwichtigen, und war so auf die Unterstützung aller Bevölkerungs
schichten angewiesen. Allein das im Inneren zerrüttete Reich war
nicht mehr zu retten. So zog denn im Jahre l\io der Kriegsherr der
Goten Alarich in Rom ein und überließ die Stadt seinen plündern
den Kriegern, wobei auch die Juden nicht wenig zu leiden hatten.
Den Berichten eines byzantinischen Chronisten zufolge soll Alarich
unter anderem einen Teil jener Schätze entwendet haben, die einst
mals aus dem Jerusalemer Tempel nach Rom verschleppt worden
waren. Die Trauer um den Fall de,r „ewigen Stadt“, der Metropole
des Christentums, brachten die Kirchenväter Hieronymus und Augustin
in elegischen Ergüssen zum Ausdruck, deren Bildersprache lebhaft
an den Stil der biblischen Jeremiaden erinnert „Erloschen ist die
helle Leuchte des Erdenrunds“, ruft voll Kummer Hieronymus aus,
der um jene Zeit im judäischen Bethlehem lebte. „Bezwungen ist
■*■) God. Theod. II, 8, 26, und XVI, 8, 20 (Dekrete vom Jahre 409 u. 4*2);
XVI, 8, 24 (4i8); XVI, 9, 3 (4i5).