Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

§ 29. Das Chasarenreich 
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doch wurde die russische Flotte durch das „griechische Feuer“ ver 
nichtet, worauf der Rest des Russenheeres die Flucht ergreifen mußte. 
Im Jahre 944 kam es zu einem zweiten Kriegszug gegen Zargrad, der 
erfolgreicher als der erste war und mit dem berühmten griechisch 
russischen Vertrag endete. Zehn bis fünfzehn Jahre nach diesen Er 
eignissen berichtet uns der chasarische König Joseph selbst über den 
weiteren Verlauf der Dinge in seinem Reiche. Als Antwort auf das 
Schreiben des von der Kunde über das Restehen eines „jüdischen Rei 
ches“ tief ergriffenen spanischen Ministers Chasdai ibn Schaprut 
(§ 2 3) ließ ihm nämlich Joseph im Jahre 960 eine schriftliche 
Antwort zukommen, in der er aufs eingehendste die Lage der Cha- 
saren in Vergangenheit und Gegenwart schildert. Nach dem oben be 
reits wiedergegebenen Bericht über die Bekehrung des Königs Bulan 
folgt in dem Schreiben des Joseph eine Aufzählung der Namen sei 
ner Vorgänger, die seit ihrem Übertritt zum Judentum den Titel eines 
Chägan führten; es waren dies: Obadja, Hiskia, Manasse, Chanuka, 
Isaak, Sebulon, Moses, Nissi, Menachem, Benjamin, Aaron und 
schließlich der Verfasser des Briefes selbst, Joseph. Des weiteren teilt 
er mit: „Unser Land ist an dem Fluß (Itil, d. i. Wolga) gelegen, der 
sich in der Nähe des Dschordschanmeeres (des Kaspischen) befindet 
und seiner Länge nach einer Entfernung von vier Monatsreisen ent 
spricht 1 ). An dem Flusse leben viele Stämme in Städten und Dörfern, 
in ungeschützten und auch in befestigten Ortschaften. Hier ihre Na 
men: Burtas, Bulgar, Suwar, Arissu, Zarmis, Wentit, Ssjewer (Ssje- 
werjanen), Slaviun (Slawen). Jeder der Stämme ist überaus menschen 
reich, und sie alle sind mir tributpflichtig. Von dort aus verläuft die 
Grenzlinie bis zum Dschordschan, dessen Küstenbewohner, die in einer 
Entfernung von einer Monatsreise leben, mir insgesamt tributpflich- 
D Als Parallele lassen wir hier die in dem fragmentarischen Brief des cha- 
sarischen Juden gegebene Landesbeschreibung folgen: „Unser Land heißt Arkanos 
(Hyrkanien — eine alte griechische Bezeichnung für das Kaspigebiet). Der Name 
der Königsstadt ist Kozar. Der das Land durchfließende Strom heißt Itil und 
ist rechter Hand von dem Meere jenes Landes gelegen, durch das deine Send 
boten (die Boten des Chasdai aus Cordova) nach Konstantinia (Konstantinopel) 
gelangt sind. Ich vermute, daß dieses Meer eine Fortsetzung des Großen Meeres 
(des Mittelmeeres) bildet. Unsere Hauptstadt (Medina) ist von jenem Meere 2160 
Ris entfernt. Die Entfernung zwischen unserem Reiche und Konstantinia beträgt 
9 Tagereisen zu Meere und 28 zu Lande. Der gesamte Herrschaftsbereich meines 
Herrn beträgt aber 5o Tagereisen. Und dies sind die Völker, die uns bekriegen: 
Asia (die Byzantiner Kleinasiens?), Bab-al-Abwab (Derbent in Kaukasien), die Se- 
bussen, Türken und Lusinen“.
	        
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