Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Italien und Byzanz (VIII—XI Jahrh.) 
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ten verwandt mache. Die Lehre der klassischen Physik von den vier 
Elementen (Feuer, Luft, Wasser und Erde) auf greifend, führt Don- 
nolo den Beweis, daß jedes der Elemente sich in die anderen ver 
wandelt und nimmt so das Gesetz von der Erhaltung der Energie 
im Wandel ihrer Formen gleichsam vorweg. Dabei ist sein Bestre 
ben stets darauf gerichtet, die Theologie der Naturwissenschaft näher 
zu bringen, doch teilt er zugleich alle astrologischen Vorurteile sei 
nes Zeitalters und bekundet einen ausgesprochenen Hang zu der von 
dem kabbalistischen „Buche der Schöpfung“ vertretenen Mystik der 
Buchstabenvermählungen. 
Und doch betrachtete der jüdische Gelehrte, trotz seiner mysti 
schen Veranlagung, die Dinge mit einem viel unbefangeneren Blick, 
als die zeitgenössischen christlichen Theologen. Zu seinen Bekannten 
zählte unter anderem sein gelehrter Landsmann, der Mönch Nilus 
der Jüngere, der ein Einsiedlerleben führte und später von der Kirche 
kanonisiert wurde. Eines Tages, als Donnolo ihn besuchte, fand er 
den Mönch schwer leidend und erbot sich, ihm ärztliche Hilfe zu 
leisten; der strenge Eremit wies jedoch die Dienste des jüdischen 
Arztes zurück, um nicht die Christen in Versuchung zu führen, die 
da sagen könnten, daß ein frommer Ghristenhirt seine Genesung 
einem Juden zu verdanken habe. Ein anderes Mal kam zu Nilus zu 
sammen mit Donnolo noch ein Jude, der den, Mönch aufforderte, 
mit ihm über religiöse Fragen zu disputieren; dieser erwiderte aber 
dem Gaste schroff, er möge nur soviel Tage vor seiner Zelle stehen 
wie Moses auf dem Berge Sinai, und wenn er die ganze Zeit hin 
durch die Bücher der Thora und der Propheten gelesen haben werde, 
erst dann werde er sich auch als würdig erweisen, mit einem gottes- 
fürchtigen Christen Glaubensfragen zu besprechen. Donnolo und sein 
Begleiter wiesen selbstredend dieses sonderbare Ansinnen zurück. 
Indessen hätte man auch an der Lauterkeit des Glaubens der Ju 
den im damaligen Italien und Byzanz nicht wenig aussetzen können. 
So ist z. B. die um die Mitte des XI. Jahrhunderts niedergeschriebene 
Familienchronik des Achimaaz (oben, § 19) voll von abergläubi 
schen Erzählungen über von verschiedenen Rabbinern vollbrachte 
Wundertaten. Einer der Helden dieser Chronik, Aaron aus Bagdad, 
tut auf Schritt und Tritt die mannigfaltigsten Wunder vermittels 
des „Schern ha’meforasch“, des in Beschwörungsformeln gebrauch 
ten, geheimnisvollen, unaussprechlichen Gottesnamens. Aus dem Lande
	        
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