Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

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§ 21. Die geistige Kultur in Italien und Byzanz 
lichoth“ des römischen Dichters Salomo ben Jehuda liaBabli gehal 
ten, der um g5o lebte (der Beiname „Babylonier“ bedeutet hier so 
viel wie „Römer“, da in dem damaligen jüdischen Schrifttum das 
päpstliche Rom zuweilen mit dem Decknamen „Babylon“ bezeichnet 
zu werden pflegte). Rom war zugleich die Geburtsstätte des dem 
Kalonymidengeschlechte angehörenden hochbegabten Paitan Meschul- 
lam, der gegen Ende des X. Jahrhunderts nach Deutschland auswan- 
derte und gewöhnlich der Mainzer Schriftstellergruppe (§ 17) zuge 
zählt wird, so gleichsam ein lebendiges Sinnbild der literarischen Ver 
bindung zwischen Deutschland und Italien darstellend. 
Der in Italien zu neuem Leben erwachte literarische Schaffens 
drang ließ auch jenes Gebiet des hebräischen Schrifttums nicht unbe 
rührt, das schon seit langem der Verwahrlosung anheimgefallen war: 
die Historiographie. Bis ins X. Jahrhundert hinein blieb nämlich die 
sem Schrifttum sogar die Fortsetzung der biblischen Geschichte, wie 
sie in den klassischen Werken des Josephus Flavius: „Jüdische Alter 
tümer“ und „Jüdischer Krieg“ vorlag, gänzlich unbekannt. Von dem 
während des großen nationalen Krieges zu den Römern übergelaufe 
nen Führer Galiläas zu Rom in griechischer Sprache abgefaßt, wa 
ren die Werke des Josephus in dem chaotischen Gewirr des jüdisch 
hellenistischen Schrifttums, das die rechtgläubigen Feinde der „grie 
chischen Weisheit“ geflissentlich mieden, gleichsam verschollen. Die 
unausbleibliche Folge war aber die, daß sogar sonst durchaus ge 
bildete Juden in bezug auf den Verlauf ihrer eigenen Geschichte wäh 
rend der letzten, dem Zusammenbruch des jüdischen Staates voran 
gehenden Jahrhunderte in völliger Unwissenheit verharrten, da das 
talmudische Schrifttum über diese Epoche nur verworrene Legenden 
mitzuteilen wußte. Dies mochte einen jüdischen Schriftsteller, der, 
wie es scheint, in der zweiten Hälfte des X. Jahrhunderts in Rom 
lebte, dazu bewogen haben, sein Volk mit einer Darstellung des der 
Vergessenheit preisgegebenen Abschnitts der nationalen Geschichte er 
neut zu bedenken. In Anbetracht der Weitschweifigkeit und Unzu 
gänglichkeit der Schriften des Josephus Flavius legte er seinem Werke 
die lateinische Umarbeitung des „Jüdischen Krieges“ zugrunde, die im 
frühen Mittelalter unter dem Titel „Buch des Hegesippus“ (latini 
sierte Form von „Josephus“) weit verbreitet war. Diese Umarbei 
tung ergänzte nun der neue jüdische Kompilator durch manche Aus 
züge aus den „Altertümern“ des Josephus, aus den „Makkabäerbü-
	        
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