Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Italien und Byzanz (VIII—XI Jahrh.) 
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Stadt von der Seuche erlösen. Der Mönch willigte ein, allein nur 
unter der Bedingung, daß „die die Stadt durch ihre religiösen 
Bräuche schändenden Juden“ von dort vertrieben werden. Die Grie^- 
chen wiesen denn auch die Juden aus Sparta aus, worauf der Mönch 
sein „Wunderwerk“ der Errettung nicht länger hinausschob. Nur 
einer unter den Griechen namens Ara tos war über das Verhalten des 
Nikon entrüstet und erklärte, daß man eigentlich den Mönch, nicht 
aber die Juden hätte ausweisen müssen. Kurz darauf brachte Aratos 
einen jüdischen Meister, einen ihm unentbehrlichen Stoffärber, 
mit sich in die Stadt. Der darüber erboste Fanatiker Nikon 
stürzte sich mit einer Keule in der Hand auf den Juden, wurde aber 
von Aratos zurückgestoßen und mußte, über die Juden und deren 
Verteidiger noch mehr erbittert, das Feld räumen. Dieser Erzählung 
wohnt zweifellos eine gewisse symbolische Bedeutung inne: zwar 
blieb der judenfeindlichen Agitation der Geistlichkeit der Erfolg 
mitunter nicht versagt, doch besaß sie nicht die Kraft, die bestehende 
Wirtschaftsordnung, in der die Juden eine so wichtige Rolle spiel 
ten, von Grund aus zu erschüttern. Ungeachtet der vielen zu über 
windenden Hindernisse lebten die Juden nach wie vor in allen Städten 
Griechenlands und der übrigen Teile der Balkanhalbinsel wie auch 
in den byzantinischen Landgebieten Kleinasiens, wo sie sich in her 
vorragendster Weise an der Industrie, besonders an der Fabrikation 
von Seidenstoffen, beteiligten; zugleich verstanden sie es, ihr Ge 
meindeleben überall auf festen autonomen Grundlagen aufzubauen. 
So konnte denn der jüdische Reisende des XII. Jahrhunderts, Ben 
jamin von Tudela, im byzantinischen Reiche ein weit ausgedehntes 
Netz solcher organisierter Gemeinden vorfinden, die alle eine durch 
aus arbeitsfreudige und wohlhabende Bevölkerung hatten (unten, 
§ 53). 
§ 21. Die geistige Kultur in Italien und Byzanz 
In kultureller Hinsicht bildeten die jüdischen Kolonien der beiden 
südeuropäischen Halbinseln in dieser Epoche gleichsam ein ein 
heitliches Ganzes. Das unter byzantinischer Gewalt stehende Süd 
italien war das natürliche Bindeglied zwischen der romanischen und 
der griechischen Kultur. Die Juden, die in der Lombardei und in 
Rom italienisch sprachen, bedienten sich in Apulien auch der griechi 
schen Sprache, in Sizilien aber der arabischen, während in Macedonien,
	        
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