Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

§ 20. Die Geschicke der Juden in Byzanz 
Araber in Syrien davongetragenen Siege, die Städte Antiochia und 
Aleppo zu besetzen, und schon schien den schreckerfüllten palästi 
nensischen Juden die Wiederherstellung der ehemaligen griechischen 
Herrschaft in der Heiligen Stadt unabwendbar zu sein. Die byzan 
tinischen Truppen näherten sich auch in der Tat Palästina, doch 
sollte dieses von dem Unheil vorerst noch verschont bleiben. Erst 
hundertfünfundzwanzig Jahre später vermochte da,s über Byzanz 
heranrückende Kreuzfahrerheer das Heilige Land wieder unter christ 
liche Herrschaft zu bringen. 
Zu den hier wiedergegebenen, aus christlichen und jüdischen 
Quellen geschöpften Nachrichten über die in Byzanz angeordneten 
Zwangstaufen und Massenausweisungen ist noch ergänzend zu be 
merken, daß diese Nachrichten durchweg auf starker Übertreibung 
zu beruhen scheinen. Wohl kam es dann und wann zu Ausbrüchen 
des religiösen Fanatismus, unter denen die Juden, wie übrigens auch 
christliche Sektierer, nicht wenig zu leiden hatten, doch lagen da 
zwischen zweifellos längere Zeiträume eines verhältnismäßig ruhige 
ren Daseins. Von dem nestorianischen Bischof Elias aus Nisibin (um 
1000) stammt die Behauptung, daß es den Juden in Byzanz jeden 
falls besser als den Nestorianern ergangen wäre: „Die Romäer (By 
zantiner) erlauben den Juden, in ihrem Herrschaftsbereiche zu leben, 
erweisen ihnen jegliche Gunst und gestatten ihnen, öffentlich ihren 
Gottesdienst zu verrichten sowie Synagogen zu bauen. Ein Jude 
darf in diesem Reiche offen erklären: ich bin ein Jude, Er bekennt 
sich zu seiner Religion, verrichtet öffentlich die Andacht und wird 
dafür in keinerlei Weise zur Verantwortung gezogen; man läßt ihn 
ungestört seinen religiösen Riten nachgehen, und legt ihm überhaupt 
keinerlei Hindernisse in den Weg“. Diese Behauptung geht freilich 
viel zu weit: die Juden werden sicherlich unter manchen Schikanen 
und zuweilen auch unter schwerer Unbill zu leiden gehabt haben, 
doch war dies das gemeinsame Los aller Andersgläubigen und sogar 
der Dissidenten innerhalb der herrschenden Kirche selbst. Der Ju 
denhaß wurde namentlich von den christlichen Mönchen geschürt, 
die in diesem Lande der Kirchen und Klöster nur allzu reich ver 
treten waren. So wird in der „Lebensbeschreibung des heiligen Ni 
kon“, der gegen Ende des X. Jahrhunderts lebte, der folgende Vor 
fall berichtet. In Sparta wütete einst die Pest, und die Einwohner 
flehten den Mönch Nikon an, er möge doch durch sein Gebet die 
12 Dubnow, Weltgeschichte des jüdischen Volkes, Bd. IV 
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