Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Italien und Byzanz (VIII—XI Jahrh.) 
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als Götzenbilder schmähen“, in den Bann tat. Dieselbe Kirchenver- 
sammlung stellte den folgenden, speziell die Juden betreffenden Ka 
non auf: „Juden, die nur zum Scheine Christen geworden sind, ins 
geheim aber an der Sabbatheiligung und an sonstigen jüdischen Bräu 
chen festhalten, dürfen weder zur Kommunion noch zur Andacht 
zugelassen werden. Es ist überhaupt ungehörig, daß sie über die 
Kirchenschwelle treten. Ihren Kindern soll die Taufe versagt bleiben. 
Es ist ihnen untersagt, Sklaven (christliche) zu erwerben oder in 
Diensten zu haben. Sollte sich indessen ein Jude aus vollem Herzen 
zum Christentum bekehren wollen, so soll er freilich nicht abgewie 
sen und mitsamt seinen Angehörigen der Taufe zugeführt werden“. 
Es ist somit anzunehmen, daß es auch in dem damaligen Byzantf 
Scheinchristen jüdischer Herkunft gab, die wohl seinerzeit gewaltsam 
zum Christentum bekehrt worden waren und nun der Bilderstürmerei 
das Wort redeten, weshalb auch das Konzil, das auf die Ausrottung 
der bilderdienstfeindlichen Tendenzen bedacht war, sie aus der Herde 
Christi zu weisen beschloß. So wurde denn der leidenschaftliche Be 
kehrungseifer, von dem die Kirchenhäupter sonst wie besessen w^ren, 
diesmal von ihrer Angst vor der jüdischen Propaganda völlig in den 
Hintergrund gedrängt 
Der Kampf zwischen den Gegnern und Anhängern der Bilder 
anbetung entbrannte von neuem unter dem Kaiser Michael II. (820 
bis 829), einem ehemaligen Gardeanführer, der aus Phrygien ge 
bürtig war und seine Jugend „unter Ketzern, Juden und halbhelleni- 
sierten Phrygiern“ verbracht hatte. Da der neue Kaiser für die Kir 
cheninteressen nur wenig übrig hatte, während sein Sohn Theophilos 
mit den Kirchenstürmern sogar gemeinsame Sache machte, so brach 
ten ihre Feinde das Gerücht in Umlauf, der Großvater des Michael 
sei ein getaufter Jude gewesen. Die aus jener Zeit stammenden chro- 
nographischen Notizen machen es verständlich, wie solche Gerüchte 
überhaupt auftauchen konnten. In dem phrygischen Heimatort des 
Michael, Ainoria (daher auch die Bezeichnung der Dynastie als „amo- 
rianische“), lebten nämlich neben vielen Juden auch zahlreiche An 
hänger der judaisierenden Sekte der Athinganen. Obwohl die Sektie 
rer die Taufe als heilig gelten ließen und den Beschneidungsbrauch 
verwarfen, hielten sie dennoch an vielen jüdischen Bräuchen und na 
mentlich an der Sabbatheiligung fest: in ihren Häusern pflegten sie 
einen Juden oder eine Jüdin zur Überwachung der rituellen Lebens-
	        
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