Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Italien und Byzanz (VIII—XI Jahrh.) 
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schon hatte es den Anschein, als ob dem europäischen Byzanz das Los 
seiner asiatischen Provinzen nicht erspart bleiben würde. Doch hat 
sich das Ungewitter bald wieder verzogen. Dem erst vor kurzem zur 
Herrschaft gekommenen neuen Kaiser Leo III. dem Isaurier (717 
bis 74i) gelang es mit Hilfe des sogenannten „griechischen Feuers", 
den Ansturm der Araber zurückzusohlagen und die arabische Gefahr 
von dem östlichen Europa ebenso abzuwenden, wie es im Jahre 782 
Karl Marteil gelungen war, das westeuropäische Festland vor ihr zu 
bewahren. 
Mit diesem kritischen Augenblick in der Geschichte des by 
zantinischen Reiches mag jene rätselhafte messianische Bewegung 
in Zusammenhang stehen, die in Syrien um jene Zeit durch die Agi 
tation des aus Byzanz gekommenen Zonarias (Seren) entfesselt wurde, 
der in den ersten Regierungsjahren Leos des Isauriers den Ruf zur 
Wiederaufrichtung eines jüdischen Palästina erschallen ließ 1 ). Zwar 
ist es auf Grund der dunklen Andeutungen der Chronographen nicht 
leicht zu erraten, was sich damals unter den byzantinischen Juden 
abgespielt haben mag, doch wird der Verlauf der Ereignisse in sei 
nen Hauptzügen wohl der folgende gewesen sein: die Araberinvasion 
erweckte zunächst unter den Juden von Byzanz die Hoffnung auf 
eine baldige Wiedervereinigung mit ihren unter der Herrschaft des 
damascenischen Omajadenkalifats stehenden palästinensischen Brü 
dern; die Zurückwerfung der Konstantinopel belagernden Araber löste 
dann eine um so größere Enttäuschung aus und veranlaßte eine Mas 
senflucht der Juden nach dem arabischen Syrien, wo der neue Mes 
sias nun einen großen Anhang fand. Nicht ohne Wirkung auf die 
Auswanderungen nach Syrien dürften auch die Verfolgungen gewesen 
sein, denen sich die byzantinischen Juden gar bald ausgesetzt sahen. 
In den ersten Jahren seiner Regierung, noch vor dem Ausbruch des 
Bilderstreites, bekundete nämlich Leo III. den größten Eifer in der 
Bekehrung von Juden und Ketzern zum orthodoxen Glauben. So gab % 
er Befehl, daß die Juden und die kleinasiatischen sektiererischen 
Montanisten „nach christlichem Ritus leben sollten“, indem er den 
Zuwiderhandelnden die härtesten Strafen in Aussicht stellte (723). 
Der Erlaß scheint indessen ebenso wie die messianische Bewegung, 
!) S. Bd. III, § 56. Den „syrischen Messias“ erwähnen beiläufig, ohne aller 
dings seinen Namen zu nennen, auch die byzantinischen Chronographen Theo- 
phanes und Kedrenos.
	        
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