Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Italien und Byzanz (VIII—XI Jahrh.) 
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die die Beute vorbeiziehenden Soldaten abgekauft hatten. Nach lan 
gem Umherwandern ließ er sich schließlich in der Stadt Benevent 
nieder, während sein Sohn Samuel in dem nahegelegenen Kapua sei 
nen Wohnsitz nahm, wo er sich als staatlicher Zolleinnehmer be 
tätigte. In allen diesen Städten bestanden um jene Zeit (gegen Ende 
des X. und zu Beginn des XI. Jahrhunderts), wie dies aus der Fa 
milienchronik zu ersehen ist, wohlorganisierte jüdische Gemeinden. 
Der Verfasser dieser Familienchronik, der Gelehrte und „Paitan“ 
Achimaaz ben Paltiel, war ein Enkel des Samuel und schrieb sein 
Werk in Kapua und Öria im Jahre io54 nieder, als Süditalien be 
reits vor einer neuen politischen Krise stand: vor der Invasion der 
Normannen. 
Schon in der ersten Hälfte des XI. Jahrhunderts wurde Süditalien 
und Sizilien von den Einfällen der von Norden gekommenen Nor 
mannen heimgesucht. Zunächst suchten sich die byzantinischen Kai 
ser, ebenso wie die römischen Päpste, mit diesen Kriegern des Nor 
dens zu vertragen, um sie im eigenen politischen Interesse und na 
mentlich zur Bekämpfung der muselmanischen Herrschaft im Süden 
auszunützen, doch bald gingen die Normannenführer ihre eigenen 
Wege und warfen sich selbst zu Herren des den Arabern entrissenen 
Sizilien und der den Byzantinern weggenommenen süditalienischen 
Gebiete auf. Im Laufe von dreißig Jahren (1057—1087) eroberten 
Robert Guiscard und sein Bruder Roger Apulien, Kalabrien und Si 
zilien. Von dem Segen des römischen Papstes begleitet, begründeten 
sie hier eine neue Dynastie, die diese drei Provinzen bald zu einem 
mächtigen Königreiche mit feudaler Verfassung vereinte. Schon in 
den ersten Jahren der Normannenherrschaft gerieten die Juden in die 
Zange der hier neu begründeten, von Mitteleuropa übernommenen 
Lehensordnung. Die Herzoge ließen zwar die jüdischen Gemeinden 
unbehelligt und rüttelten nicht an ihrer inneren Autonomie, doch ver 
fügten sie über die Juden als wären sie ihr Privatbesitz und über 
eigneten sie Einzelpersonen und Institutionen gleichsam als gewinn 
bringende Objekte. So gibt die Witwe des Herzogs Robert 
Guiscard im Jahre 1086 dem Erzbistum der Stadt Bari in dessen 
vollen Besitz „alle Juden, die in dieser Stadt leben oder sich künftig 
dort ansiedeln werden, mit ihrem gesamten beweglichen und unbe 
weglichen Vermögen, so mein Herr und Gemahl Robert mit in unsere 
Ehe brachte, wie auch das ganze jüdische Viertel (Judeca) mit dem
	        
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