Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

§19. Süditalien unter den Byzantinerny Arabern und Normannen 
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die dem Vertreter einer Großmacht gebührenden Ehren verweigert 
werden sollten. Nachdem nun der byzantinische Gesandte zehn Tage 
lang in Kairo verweilt hatte, besann er sich schließlich eines Bes 
seren: er sprach bei Paltiel vor, entschuldigte sich und wurde zum 
Empfange beim Kalifen zugelassen. — Der jüdische Würdenträger 
scheint sich auch der Angelegenheiten seiner morgenländischen Stam 
mesgenossen angenommen zu haben. Es ist wohl möglich, daß die 
jüdischen Gemeinden in Kairo und in den anderen Städten Ägyptens 
die festen Grundlagen ihrer Selbstverwaltung Paltiel zu verdanken 
hatten: nicht zufällig erstand dort sehr bald auch ein besonderes 
Exilarchat, das durch die „Nagidim“ von Kairo repräsentiert wurde. 
Es ist schwer zu entscheiden, ob bereits Paltiel der erste „Nagid“ der 
ägyptischen Juden war: in den Registern der Träger dieses Titels 
wird sein Name jedenfalls nicht mitangeführt. Die Familienchronik 
weiß nur über die Wirksamkeit zu berichten, die er zugunsten der 
jüdischen Gemeinden in Ägypten und in dem mit diesem eng ver 
bundenen Palästina und Sizilien entfaltete. Er scheint die Rolle eines 
politischen Vermittlers zwischen den ersten Fatimiden in Ägypten 
und den Repräsentanten ihrer Macht in den von dem neuen Kalifat 
abhängig gewordenen Ländern gespielt zu haben. Auch unter dem 
zweiten Kalifen aus dem Fatimidenhause, Al-Aziz (seit 975), blieb 
Paltiel noch einige Zeit in seinem Amte. 
Zu derselben Zeit, als Paltiel seine Wirksamkeit im Osten ent 
faltete, setzten andere Mitglieder der aus Oria stammenden begabten 
Familie, indem sie sich den Beistand ihres hochgestellten Verwandten 
zunutze machten, ihre Tätigkeit in den jüdischen Gemeinden Süd 
italiens weiter fort. Die bereits erwähnten arabisch-byzantinischen 
Kriege endeten mit einem Frieden, demzufolge die von den Musel 
manen besetzten Städte Apuliens, darunter auch Oria, von neuem 
Byzanz zufielen. Da Oria im Verlaufe des Krieges mehrmals der 
Plünderung anheimgefallen war, wobei auch die Verwandten des Pal 
tiel großen Schaden erlitten hatten, begab sich einer von ihnen, Cha- 
nanel II., nach Konstantinopel, wo er von dem Kaiser einen Geleit 
brief erhielt, in dem dieser ihm das Recht verlieh, dem entwendeten 
Eigentum seiner Familie nachzuforschen und dessen unverzügliche 
Herausgabe, von wem es auch sei, zu verlangen. Chananel fand auch 
in der Tat einen Teil seines Besitzes, darunter ein altes Bibelmanu 
skript, in der Stadt Bari wieder, und zwar bei den dortigen Juden,
	        
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