Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Italien und Byzanz (VIII—XI Jahrh.) 
war, dessen Werke sich in der synagogalen Liturgie erhalten haben 1 ). 
Der Sohn des Chananel, Chassadi, fiel im Jahre 925 einem arabi 
schen Überfall zum Opfer: nachdem nämlich die Stadt erstürmt wor 
den war, wurde er mitsamt neun anderen frommen und gelehrten 
Männern von den Eroberern hingerichtet, wohl infolge der von ihm 
der byzantinischen Herrschaft gegenüber bekundeten Treue. Einen 
viel schärferen politischen Blick verriet der Sohn des Chassadi, Pal- 
tiel, der sich fünfundzwanzig Jahre später auf die Seite der Araber 
schlug, welche den Juden mit weit größerer Toleranz begegneten als 
die Byzantiner. 
Es geschah dies in jenen Jahren, als der Imam von Kairuwan, Al- 
Moizz, gerade im Begriffe war, gegen Ägypten ins Feld zu ziehen, 
um der Dynastie der Fatimiden dort einen festen Stützpimkt zu si 
chern (um 960). Auf seinem Feldzuge nach Süditalien traf er mit 
Paltiel zusammen, der Moizz „nach den Sternen“ weissagte, daß er 
die Städte Tarent, Otranto und Bari erobern und zum Herrn Siziliens 
werden würde, wo um jene Zeit die berberischen Emire die Macht 
innehatten. Der Eroberer wußte die politischen Sympathien des wei 
sen Juden wohl zu schätzen und nahm ihn nach seiner in der Nähe von 
Kairuwan gelegenen Residenz mit sich, wo Paltiel als sein Berater 
und Mitarbeiter an dem Ausbau des Staates mitwirkte. Als Moizz 
dann im Jahre 969 Kalif von Ägypten wurde und seine Residenz aus 
Kairuwan nach Kairo verlegte, ernannte er seinen jüdischen Günst 
ling zu seinem Palastmeister, vielleicht auch zu seinem Hofastrolo 
gen * 2 ). Paltiel lag es unter anderem ob, die fremden Botschafter zu 
empfangen und dem König vorzustellen. Einst kam nach Kairo ein 
Gesandter aus Konstantinopel mit Geschenken vom byzantinischen 
Kaiser. Als er erfahren hatte, daß die Audienz durch einen jüdischen 
Würdenträger vermittelt werden müßte, erklärte der judenfeindliche 
griechische Gesandte, daß er eher bereit sei, unverrichteter Dinge nach 
Konstantinopel zurückzukehren, als einem Juden seine Ehrerbietung 
zu bezeugen. Paltiel traf darauf die Verfügung, daß dem hochnäsigen 
Griechen der Zutritt zum Palast verwehrt bleibe und daß ihm auch 
■*■) Eine in Akrostichonform gehaltene Hymne („Ereelim u’malaachim“ in der 
Liturgie des „Schemini-azereth“) verrät unzweideutig den Namen und Vaters 
namen des Verfassers: „Amitai ben Schefatia“. 
2 ) Bekanntlich bekleideten die Juden am Hofe der Fatimiden in Kairuwan 
und später in Kairo nicht selten die Ämter von Leibärzten, Hofberatern und 
sogar von Wesiren (s. Bd. III, § 66). 
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