Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Italien und Byzanz (VIII—XI Jahrh.) 
Qpferdarbringung im Jerusalemer Tempel zu vollbringen pflegten, 
allein durch das Aussprechen des geheimen Gottesnamens auf der 
Stelle töten“. Der Stier war bald herbeigeschafft, Sambrius flüsterte 
ihm das todbringende Beschwörungswort ins Ohr, und wie vom Blitze 
getroffen fiel das Tier leblos zu Boden. Beschämt standen die Chri 
sten da, doch jetzt griff der Papst Sylvester seinerseits zu einem 
Wunderwerk: nachdem er den Himmel um Sieg über die Feinde an 
gefleht, ließ er kurzerhand den Stier zu neuem Leben erstehen und 
führte so allen die Wahrheit des Christentums vor Augen. — Diese 
naive Legende vom auf erstandenen Stiere, die schon früher im Volke 
verbreitet war, wurde nun dem um die Mitte des X. Jahrhunderts 
entstandenen apokryphischen Buche zugrunde gelegt. 
Die Wortgefechte wurden auch noch im folgenden Jahrhundert 
fortgeführt. Der Kardinal Peter Damiani hebt voll Betrübnis die 
Tatsache hervor, daß in diesen Disputationen die Juden nicht selten 
Sieger blieben; er selbst sei von vielen Priestern um die Beschaffung 
von Material zur Widerlegung der jüdischen Argumente gebeten wor 
den. Die damalige christliche Geistlichkeit Italiens zeichnete sich in 
erster Linie durch gröbste Unwissenheit aus. Als die französischen 
Bischöfe einst dem päpstlichen Legaten gegenüber ihrer Verwun 
derung darüber Ausdruck gaben, daß zuweilen sogar an der Bil 
dung der Päpste viel auszusetzen sei, erwiderte der Legat voll Ent 
rüstung: „Die Statthalter und Jünger Petri lehnen es ab, einen Plato, 
Vergil, Terentius und die sonstigen viehdummen Philosophen (peeu- 
des philosophorum) als ihre Meister zu verehren. Gott betraut mit 
seiner Botschaft nicht Philosophen und Redner, sondern einfältige 
und schlichte Männer“. Was Wunder, daß bei einem solchen von 
den Kirchenhirten getriebenen Kult geistiger „Einfalt“ die gründ 
licher gebildeten Juden in den theologischen Wortgefechten die Ober 
hand behielten. 
§19. Süditalien unter der Herrschaft der Byzantiner, der Araber 
und Normannen 
Die sozialen Verhältnisse der Juden in Süditalien unterschieden 
sich wesentlich von denen im italienischen Norden, dessen Los um 
jene Zeit von dem des französisch-deutsch-römischen Reiches abhing. 
Im Süden wetteiferten drei Religionen und drei Kulturen miteinander: 
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