Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Italien und Byzanz (VIII—XI Jahrh.) 
sogar selbst einen Papst aus der Mitte seiner Angehörigen stellte (un 
ten, § 5i). Mit Leo war namentlich jener Papst Alexander II. be 
freundet, der im Jahre io65 es als seine Pflicht erachtete, den nar- 
bonnensischen Behörden den Schutz der Juden gegen die Wutaus 
brüche der zur Bekämpfung der spanischen Muselmanen ins Feld 
ziehenden Kreuzfahrer ans Herz zu legen (oben, § i4). Es ist der 
selbe Papst, der dem Fürsten Landulf von Benevent wegen gewalt 
samer Judentaufen Vorhaltungen machte. „Von unserem Herrn Jesus 
Christus — so schrieb ihm Alexander II. — haben wir nie gehört, 
daß er jemanden gewaltsam zur Botmäßigkeit gezwungen hätte; viel 
mehr gewann er die Menschen durch demütiges Überreden und 
brachte sie dadurch von ihrem Afterglauben ab, daß er sein eigenes 
Blut fließen ließ“. Der Nachfolger des Alexander, der berühmte Papst 
Gregor VII., setzte sich jedoch wieder für die strenge Befolgung der 
Kirchenvorschriften ein; so tadelte er scharf den König von Ka 
stilien, Alfons VI., weil dieser Juden zu hohen Staatsämtern beför 
derte (unten, § 26). 
Allerdings fehlte es auch in Italien nicht an tatendurstigen Bi 
schöfen und allerlei sonstigen Kircheneiferern, die es auf die Aus 
rottung des Judentums abgesehen hatten, doch machtlos wie sie im 
Bereiche der inneren Staatsverwaltung waren, deren Zügel gerade im 
Lande der Päpste um jene Zeit ganz in den Händen der weltlichen 
Behörden lagen, mußten sie sich hier nur auf religiöse Disputationen 
mit jüdischen Gelehrten sowie auf eine rein literarische Bekämpfung 
der „jüdischen Verirrungen“ beschränken. Schon im Jahre 800 
konnte der „Volksaufklärungsminister“ Karls des Großen, der Ge 
lehrte Alkuin, berichten, daß in seiner Gegenwart in der Stadt Pavia 
zwischen dem christlichen Grammatiker Peter aus Pisa und einem 
Juden namens Julius eine Disputation stattgefunden hätte, deren Er 
gebnisse in einem Buche aufgezeichnet worden wären. Zwar ist uns 
diese Schrift nicht erhalten geblieben, doch zeigen manche uns über 
lieferte polemische Werke dieser Art aus späterer Zeit, mit welch 
großem Eifer die katholische Geistlichkeit zwischen die in gutnach 
barlichen Beziehungen lebenden Juden und Christen einen Keil hinein 
zutreiben bestrebt war. So beklagt sich der Bischof von Verona, Ra- 
therius, der im X. Jahrhundert lebte und ein für seine Zeit hoch 
gebildeter Mann war, in seinem Buche „Qualitatis conjectura“ aus 
drücklich darüber, daß die Umwelt die Juden mit viel zu großer
	        
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