Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

§ 18. Rom und Norditalien 
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porationen oder „Scholen“ eingeteilt waren, bildeten auch die Juden 
unter den fremdländischen Bevölkerungsgruppen (Scholae peregrino- 
rum) eine Körperschaft für sich. Bei den Krönungsfeiern zu Ehren 
der Kaiser Otto I. und II. waren auch Huldigungen in hebräischer 
Sprache zu hören, dargebracht von an der feierlichen Prozession zum 
Kapitol teilnehmenden Vertretern der jüdischen „Schola“. Die jü 
dische Gemeinde von Rom stand in lebhaftem Verkehr mit den Ge 
meinden Deutschlands und versagte nie den von dort kommenden jü 
dischen Abordnungen, die gegen die von diesem oder jenem Bischof 
oder weltlichen Herrn veranlaßten Repressalien bei dem römischen 
Papst Schutz suchten, ihren Beistand. Das friedliche Leben der rö 
mischen Juden wurde allerdings nicht selten durch die allgemeinen 
politischen Wirren jener Zeit und zuweilen auch durch speziell die 
Juden treffendes Unglück beeinträchtigt. So ist uns z. B. der fol 
gende Zwischenfall überliefert. Im Jahre 1020 wütete in der Stadt 
ein furchtbarer Sturm, dem viele Menschen zum Opfer fielen. Da 
das Unglück gerade am Karfreitag hereinbrach, als in den Kirchen 
vor den Augen der Gläubigen die „Passionsgeschichte“ auf geführt 
wurde, deren Inszenierung auch sonst Haßgefühle gegen die Juden 
wachzurufen pflegte, fand sich ein der griechischen „Schola“ ange 
hörender Fanatiker, der dem Papst Benedikt VIII. die Angabe machte, 
die Juden hätten am Vorabend der Katastrophe in ihrer Synagoge ein 
Christusbild geschändet, auf welche Missetat der Denunziant den die 
Stadt treffenden göttlichen Ingrimm zurückführen zu müssen glaubte. 
Der fromme christliche Chronograph versichert, daß die Nachfor 
schungen das Hinterbrachte bestätigt hätten und daß gleich nach Be 
strafung der „Schuldigen“ der Sturmwind sich gelegt habe. 
Wiewohl Fälle von Abtrünnigkeit unter den in päpstlicher Ob 
hut lebenden römischen Juden nur eine große Seltenheit waren, so 
hat sich ein Fall dieser Art, weil er sich auch politisch auswirkte, der 
Erinnerung des Volkes dennoch eingeprägt. Ein dort tätiger jüdischer 
Bankier, der mit dem Papst in geschäftlicher Verbindung stand, ließ 
sich nämlich taufen, worauf er unter seinem neuen Namen Benedikt 
mit dem christlichen Adel in verwandtschaftliche Beziehungen trat. 
Der Sohn und der Enkel des Übergetretenen, Leo und Peter mit Na 
men, wurden Stammeshäupter des römischen Patriziergeschlechts 
Pierleone (eine Verschmelzung der italienischen Namen Pietro und 
Leone), das mit den Päpsten freundschaftlich verkehrte und später
	        
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