Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

§13. Die Juden unter Ludwig dem Frommen 
nicht länger aufzulehnen. Gereizt schrieb nun der Erzbischof an den 
Kaiser, es sei ihm noch immer unbegreiflich, wie sich das Haupt 
eines christlichen Staates dazu hergeben könne, für die Interessen 
der Juden einzutreten; diese seien, durch eine so hohe Protektion er 
muntert, ganz „unverschämt“ geworden, sie belehrten die Christen, 
woran diese glauben und welche Bräuche sie halten sollten, und stün 
den nicht an, in ihrer Gegenwart den Erlöser zu schmähen. Durch die 
Handlungsweise der kaiserlichen Kontrolleure — klagt Agobard — 
würden die Christen zu der Annahme verleitet, daß die Juden, weit 
entfernt, verachtungswürdig zu sein, wie man allgemein glaube, viel 
mehr dem König lieb seien und den Christen gewissermaßen sogar 
vorgezogen würden. 
Außer diesem Schreiben, das späterhin unter dem Titel „Unver 
schämtheit der Juden“ (De insolentia Judaeorum) veröffentlicht 
wurde, verfaßte Agobard gemeinsam mit zwei anderen Bischöfen einen 
viel ausführlicheren Hirtenbrief unter dem Titel „Über jüdischen 
Aberglauben“ (De judaicis superstitionibus), in dem die einschlägi 
gen Äußerungen der Kirchenväter, angefangen mit Ambrosius von 
Mailand, sowie die die Juden betreffenden Kirchenkanons mit allem 
Fleiß zusammengetragen waren. Die beiden Sendschreiben stellen eine 
einzige geharnischte Anklageschrift gegen das „Antichristen“-Volk 
dar. Die Juden — heißt es darin — verkaufen christliche Sklaven 
nach dem muselmanischen Spanien, nötigen ihre christlichen Dienst 
boten, die kirchlichen Feier- und Fasttage zu entweihen, verkaufen 
den Christen das bei den Juden als unrein geltende Fleisch und eben 
solchen Wein (nämlich die kraft der jüdischen Speisegesetze ver 
pönten „Trefe“ und „Jain nessech“). Auch pflegen sie in ihren all 
täglichen Gebeten unter der Bezeichnung „Nasaräer“ die Christen zu 
verfluchen, „was schon von dem heiligen Hieronymus bezeugt ist“. 
Mit diesen Feinden Christi dürfe man keinerlei Tischgenossenschaft 
pflegen und es sei jedermanns Pflicht, alle kirchlichen Vorschriften 
treu zu befolgen, die ja Leben oder Besitz der Juden durchaus nicht 
bedrohten, sondern lediglich auf ihre Absonderung von den Christen 
abzielten. Und doch würden diese Vorschriften den Juden zuliebe täg 
lich und stündlich verletzt. Es werde ihnen dem Gesetze zuwider ge 
stattet, neue Synagogen zu bauen, und die von ihnen verführten Chri 
sten behaupteten sogar, daß in den Synagogen besser gepredigt werde 
denn in den Kirchen. Um den Juden eine ungestörte Sabbatruhe zu
	        
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