Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Die Karolingerzeit in Mitteleuropa 
den, bereits unter Karl dem Großen und seinem Sohne Ludwig dem 
Frommen (manche dieser Gesetze werden nämlich den beiden Mon 
archen zugleich zugeschrieben) erlassen wurden; es mag sein, daß 
die aus späterer Zeit stammenden Vorschriften um der größeren 
Autorität willen erst nachträglich in die „Kapitularien“ des großen 
Kaisers eingefügt worden sind. Aber wenn man ihre Echtheit auch 
nicht bezweifeln will, so wäre es denn doch verfehlt, hieraus den 
Schluß zu ziehen, durch diese Bestimmungen sei in der bürger 
lichen Stellung der Juden im Reiche eine Verschlechterung einge 
treten. Vielmehr haben wir es hier schlimmstenfalls mit einer rein 
äußerlichen Konzession zu tun, die dem mit seinen Kirchenkanons 
überall in das Gefüge der Staatsgesetzgebung eindringenden Klerus 
eingeräumt werden mußte. Wir werden bald sehen, wie die Kirche 
unter dem Nachfolger Karls des Großen der liberalen Stellungnahme 
der weltlichen Macht den Juden gegenüber offen entgegentrat und 
wie dieser Angriff, solange die Juden zur Erfüllung der für das 
Staatsganze lebensnotwendigen sozialwirtschaftlichen Funktionen un 
entbehrlich waren, unweigerlich fehlschlagen mußte. 
§ 13. Der Kampf gegen das emporsteigende Judentum unter Ludwig 
dem Frommen 
Wir treten nunmehr in eine Epoche ein, da sich in Mitteleuropa 
den Juden gegenüber jenes vom Kaiser und den anderen Inhabern 
der Staatsgewalt angewandte Schutzvormundschaftssystem einbürgerte, 
das in vielgestaltigen Formen auch in den folgenden Jahrhunderten 
maßgebend blieb. Der Kaiser Ludwig der Fromme (8i4—84o) war 
der erste christliche Monarch, der die Juden unter seine unmittelbare 
Vormundschaft gestellt hatte. Als erster begann er Vertretern jüdi 
scher Gemeinden sowie einzelnen einflußreichen Juden besondere Ur 
kunden zu verleihen, durch die ihnen der Kaiser seinen persönlichen 
Schutz (sub nostra defensione suscepimus ac retinemus) gewährlei 
stete 1 ). Der Inhalt dieser Schutzbriefe lief im wesentlichen auf das 
!) Aus dem Umstand, daß in einer der erhalten gebliebenen Urkunden die 
ser Art der Name des Rabbiners nebst dem seines Nef.fen (Domatus rabbi) ge 
nannt ist, während in einer anderen von zwei Juden „nebst ihren Angehörigen“ 
(praesentes Hebreos et pares eorum) die Rede ist, glauben wir schließen zu 
dürfen, daß es sich hierbei um an ganze Gemeinden verliehene Vorrechte han 
delt, die von den genannten Personen nur vertreten waren. S. Aronius, Regesten, 
Nr. 81—82.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.