Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Die Karolinger zeit in Mitteleuropa 
Ausdruck verlieh. „Von Kummer ergriffen und zu Tode geängstigt 
(dolore tacti, usque mortem anxiati) — so ließ sich der Papst aus — 
empfingen wir von Dir die Kunde, daß das Juden volk, das stets auf 
sässig gegen Gott und unseren Bräuchen abhold war, auf christlichem 
Grund und Boden und in voller Gleichberechtigung mit den Christen 
Allodien (lehenszinsfreie Erbgüter) in Städten und Vorstädten sein 
eigen nennt, und zwar auf Grund der ihnen (den Juden) ehemals von 
den Frankenkönigen verliehenen Vorrechte. Christen bebauen jüdische 
Weinberge und Äcker, Christen und Christinnen wohnen unter einem 
Dach mit diesen Verrätern und besudeln Tag und Nacht ihre Seele 
durch Worte der Gotteslästerung; die Unglückseligen (christliche Be 
dienstete) müssen sich täglich und stündlich vor diesen Hunden er 
niedrigen, indem sie all ihren Launen zu Willen sein müssen . . . 
Schon die Gerechtigkeit verlangt es, daß die diesen Verrätern und 
ihren verbrecherischen Vätern gegebenen Versprechen als nichtig er 
klärt werden, damit der Tod des gekreuzigten Erlösers endlich gerächt 
werde. In diesem Sinne belehrt ja auch das Haupt der Kirche 1 ) die 
Gemeinden der Bechtgläubigen, indem es sagt: ,Was hat das Licht 
für Gemeinschaft mit der Finsternis? Wie stimmt Christus mit Be 
lial? Was hat der Tempel Gottes für Gleichheit mit den Götzen? 4 “ 
— Das zornsprühende Schreiben des Papstes scheint durch den Um 
stand veranlaßt worden zu sein, daß es den narbonnensischen Juden 
nach der Thronbesteigung Karls des Großen gelungen war, ungeachtet 
der von den Kirchenkonzilen aufgestellten Kanons, die Bestätigung 
ihrer früheren Vorrechte hinsichtlich des unbehinderten Grundbesitzes 
und der uneingeschränkten Verwendung von Lohnarbeitern beim Könige 
zu erwirken. Freilich wagte es Stephan III. nicht, Karl selbst, der da 
mals gerade Born vor dem Ansturm der Langobarden beschirmte, den 
Protest unmittelbar zu Ohren zu bringen; darum ließ er seiner Entrü 
stung in einem an den Klerus gerichteten Schreiben um so freieren Lauf. 
Die Auffassung, die Karl der Große von den Aufgaben der Staats 
verwaltung hatte, war überhaupt viel zu nüchtern und sachlich, als 
daß er sich in den Dienst jener engherzigen Kirchenpolitik hätte stel 
len können, deren blinde Werkzeuge die westgotischen Könige Spa 
niens sowie einige seiner Vorgänger aus der Merowingerdynastie ge 
wesen waren. Er sah nur zu gut, wie viel der Staat der arbeitsfrohen, 
unternehmungslustigen und enthaltsamen jüdischen Bevölkerung zu 
!) Der Apostel Paulus im II. Korintherbrief, 6, i4, 16.
	        
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