Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Die Karolingerzeit in Mitteleuropa 
liehe Schutzherrschaft angedeihen läßt Diesem Bunde der weltlichen 
und geistlichen Gewalt entsprießt das Imperium: der Papst Leo III. 
krönt Karl den Großen in Rom und ruft ihn zum Imperator, zum 
„allerfrömmsten Augustus“ aus (800). So ersteht von neuem neben 
dem byzantinischen Reiche, dem europäischen Überrest des ehema 
ligen oströmischen Imperiums, ein weströmisches Imperium im 
mittleren Europa. Seine weltlichen Residenzen liegen in Frankreich 
und Deutschland, seine geistige Hauptstadt ist aber die alte Geburt 
stätte des Imperiums, Rom, das nunmehr zum Mittelpunkt der christ 
lichen Theokratie geworden ist. Das theokratische Element der neuen 
Staatsordnung sollte indessen der jüdischen Bevölkerung erst viel spä 
ter fühlbar werden, nachdem das Papsttum über die weltliche Gewalt 
die Oberhand gewonnen hatte; vorerst bekommen die Juden die 
schwere Hand der Kirche noch in keiner Weise zu spüren, da deren 
Oberhäupter, die römischen Pontifices, von Karl dem Großen und 
seinen nächsten Nachfolgern, den Schutzherren der Juden im neuen 
Imperium, noch viel zu sehr abhängig sind. 
Verschiedene verworrene christliche und jüdische Legenden ver 
mitteln uns eine Vorstellung von jenen freundschaftlichen Beziehun 
gen, die sich zwischen der neuen Gewalt und den Juden namentlich 
im Bezirk von Narbonne herausgebildet hatten. Dieser ehedem dem 
westgotischen Spanien angehörende Landstrich geriet fast gleich 
zeitig mit jenem, im Jahre 720, unter die Gewalt der Araber. Im 
Jahre 759 belagerte das Frankenheer unter dem Oberbefehl des 
Königs Pippin Narbonne und bemächtigte sich seiner mit Hilfe 
der gotischen Einwohner, die die arabische Besatzung niedermach 
ten und die Stadt unter der Bedingung der Aufrechterhaltung ihrer 
Selbstverwaltung Pippin übergaben. Diesen von der Chronik verbürgten 
Tatbestand wandelt nun die Legende nach ihrer eigenen Weise um, 
indem sie das Verdienst der Übergabe der Stadt den Juden zuschreibt 
und nicht Pippin, sondern seinen Sohn Karl den Großen als Be 
zwinger von Narbonne erscheinen läßt 1 ). Die Juden sollen, wie es 
in der Legende heißt, an die die Stadt belagernden Franken eine Ab 
ordnung gesandt und ihnen ihre Hilfe angeboten haben. Das Haupt 
der Deputation, Isaak, hätte Karl dem Großen erklärt, daß die zur 
D Die Erzählung ist in den zu Beginn des XIII. Jahrhunderts aufgetauchten 
und an sagenhaften und romantischen Elementen überreichen „Gesta Garoli Magni,“ 
erhalten geblieben.
	        
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