Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes im Orient (3, Orientalische Periode / 1926)

§ 28. Rab und Samuel. Die akademische Organisation 
über seinen Agoranomen wegen Mangels an Diensteifer die Gefäng 
nisstrafe. Doch gereichte die Amtstätigkeit Rab zu großem Nutzen. 
Als Bezirksinspektor das Land bereisend und mit den verschiedensten 
Menschen in Berührung kommend, hatte er Gelegenheit, Lebensweise 
und Sitten der Volksmassen aus eigener Anschauung kennenzulernen. 
Die Erfahrungen, die er dabei machte, waren ziemlich trostlos: das 
gemeine Volk verharrte an vielen Orten in Unwissenheit und Unsitte 
und ließ sich die Übertretung vieler religiöser Vorschriften zuschulden 
kommen. Aus Unkenntnis des Gesetzes übertrat man z. B. sehr häufig 
die strengen Speisegesetze. So hörte Rab einst in einer Ortschaft, wie 
eine Frau die andere fragte, wieviel Milch man für eine bestimmte 
Portion Fleisch in den Topf tun müsse. (Die Vermischung von Milch 
und Fleisch war bekanntlich vom Gesetze untersagt.) Während seiner 
Diensttätigkeit scheint Rab auch mit dem letzten parthischen König 
Artaban IV. in Berührung gekommen zu sein. Der König soll den jü 
dischen Gelehrten hochgeschätzt und ihm einst sogar ein wertvolles 
Geschenk gemacht haben. Diese Rab erwiesene Gunst soll bis zum 
Lebensende des Königs unverändert geblieben sein. Als dann die Nach 
richt von dem Tode Artabans im Kampfe mit den aufständischen Per 
sern kam, rief Rab voll Trauer aus : „Nun ist das Band gelöst 1“ Er 
befürchtete, daß mit dem Falle der parthischen Dynastie in der Lage 
der Juden eine Wendung zum Schlimmen eintreten werde, und seine 
Befürchtungen haben sich zunächst auch als nicht unbegründet erwie 
sen, denn unter dem ersten Herrscher aus der neupersischen Dynastie, 
Ardeschir, veranlaßten die Magier, wie bereits erwähnt, in der Tat 
Verfolgungen gegen die jüdische Religion. 
Nachdem Rab so die Lehrjahre und die entbehrungsreichen Wan 
derjahre hinter sich hatte, eröffnete sich ihm endlich der richtige Le 
bensweg: nunmehr gab er sich ganz der Verbreitung des Wissens un 
ter seinen Landsleuten hin. Er gründete in der Stadt Sura eine Hoch 
schule nach dem Vorbild der palästinensischen Akademien (219). Der 
Zudrang zu dieser Schule (,Jeschiba, aramäisch Metibta oder auch 
„Sidra“) aus den verschiedenen Orten Babyloniens und auch aus an 
deren Ländern war so groß, daß es im Schulgebäude an Platz fehlte 
und Rab für den Unterricht auch noch den sein Haus umgebenden 
großen Garten zur Verfügung stellen mußte. Als wohlhabender Mann 
unterstützte er außerdem viele seiner bedürftigen Schüler aus eigenen 
Mitteln. Besondere Sorge trug er um die Landleute der Umgegend: in 
13 Dubnow, Weltgeschichte des jüdischen Volkes, Bd. III 
193
	        
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