Die Weltdiaspora
ernannten Hohepriester, Chananel, war aus Babylonien gebürtig.
Schließlich stammte auch der große Gesetzeslehrer und Schöpfer des
talmudischen Judaismus, Hillel, gleichfalls aus diesem Lande. Unter
Herodes I. bildete sich an der Grenze Judäas eine ganze Kolonie von
Auswanderern aus Babylonien. Der babylonische Jude Zamaris über
schritt nämlich mitsamt hundert seiner Verwandten und fünfhundert
bewaffneten Reitern den Euphrat und ließ sich in Syrien nieder;
Herodes überredete ihn jedoch, in Batanäa in Transjordanien Wohn
sitz zu nehmen, zum Schutze der Landesgrenzen gegen die räuberi
schen Bewohner des benachbarten Trachonitis. Zamaris und seine
Leute bauten hier nun den befestigten Flecken Bathyra 1 ), der den
zu den Festgottesdiensten nach Jerusalem ziehenden Pilgern als Zu
fluchtsstätte diente. Dort pflegten sich auch die in der Umgegend ver
streuten Juden zu versammeln, um ihren religiösen Kultus ungestört
ausüben zu können. Diese babylonisch-jüdische Kolonie erfreute sich
unter Herodes und seinen Nachfolgern einer weitgehenden Autonomie.
Aus alledem kann geschlossen werden, daß die babylonischen Ju
den in dieser Epoche einen sowohl quantitativ als qualitativ nicht un
bedeutenden Bestandteil der Diaspora bildeten 1 2 ). Die Hauptgemein
den befanden sich in den Städten Nehardea und Nisibis. Durch diese
Gemeinden gingen die im Partherreiche für den Jerusalemer Tempel
gesammelten Gelder, die von hier aus unter starker Bedeckung nach
Jerusalem befördert zu werden pflegten. Auch die Zahl der Pilger,
die alljährlich zu den Jahresfeiertagen aus Babylonien nach der hei
ligen Stadt wanderten, war nicht unbeträchtlich. Überhaupt wurden
hier die geistigen Beziehungen zu Judäa aufs eifrigste gepflegt. Da
Babylonien überdies vom Drucke der hellenistischen Kultur, dem die
Diaspora in Ägypten, Syrien und Kleinasien ausgesetzt war, ver
schont blieb, so konnte die nationale Eigenart hier auch aus diesem
Grunde in viel größerem Maße gewahrt werden. So stellen denn auch
1) Die Annahme, wonach dieser Ansiedlung, von der in Ant. XVII, 2, be
richtet wird, die Vorsteher des gelehrten Synhedrion in Jerusalem, die Vorgänger
Hillels, die Bne-Bathira, entstammen sollten (§ 60), ist allenfalls als eine geist
reiche Hypothese zu bewerten.
2) In Ant. (XV, 2, 2 u. 3, i; XVIII, 9) wird der zahlreichen jüdischen Be
völkerung Babyloniens in der Zeit Herodes I. und seiner Nachfolger mehrmals
Erwähnung getan. Vgl. noch Bell. VI, 6, 2 u. Philo, Legat, ad Cajum, § 3i.