Volltext: Sagen aus dem oberen Mühlviertel (1)

Das „Doktor FJaust-Stöckl“. 
Wenn die Schiffer auf der Donau von Neuhaus gegen 
Aschach fahren und bei einer Beuge des Stromes Landshag 
erblicken, sagen sie gewöhnlich: „Da schaut der Doktor Faust 
herunter.“ Es trennen sich die mäßig hohen Berge von den 
heiden Seiten der Ufer und nehmen fast in gleicher Linie Abschied 
voneinander. Das „Doktor Faust-Stöckl“ guckt hier schelmisch 
von der Höhe herab; es ist ein schön aufgeputztes Gebäude, 
das den Namen „Stöckl“ gar nicht mehr verdient. Erdstufen— 
örmige Anlagen, herrliche Spaziergänge wurden durch Menschen— 
hand dem Felsgesteine abgerungen und aus dem niedlichen 
„Stöckl“ ist ein liebliches Wohnhaus geschaffen worden. Vor 
oielen, vielen Jahren sah es freilich ganz anders aus: die 
Mauern dieses Hauses, welche auf rauhen Felsen klebten, waren 
vernachlässigt, durch das Dach pfiff der Wind seine Lieder, 
während mächtige Tannenbäume bis zum Dachfirste hinauf 
zramsüchtig ihre Wipfel streckten. Wenn da in finsteren Nächten 
der Sturmwind heulte und der Blitz das „Stöckl“ helle beleuchtete, 
woben abergläubische Käuze ein neues Band zu dem Sagen— 
kranz, der sich um das Haupt des Doktor Faust geschlungen. 
Doktor Faust! Wer hat nicht schon gehört davon? Wir 
haben es mit jener Erscheinung zu tun, welche im 16. Jahrhundert 
in den deutschen Landen durch ihre genialen Zauberstreiche 
gewaltiges Aufsehen erregte und auch auf dem „Stöckl“ in 
Landshag ausführte.— 
Es war dies Doktor Faust, der, 1540 herum zu Knittlingen 
in Württemberg geboren, als „fahrender Schüler der schwarzen 
Kunst“ (mit physikalischen Kunststücken) sich in der weiten Welt 
durchgefochten, die Mithilfe des Teufels selbst ausgeschrien und 
dadurch auf schlaue Weise wirksam Reklame für seine Kunst 
machte. Göthe hat diese Gestalt in „Faust und Margaretha“ 
sich als Muster genommen. 
Wohl tauchte zu Ende des 17. Jahrhunderts nochmals 
ein Doktor Faust als Gaukler auf, doch, der war es nicht. 
Die Sage vom „Doktor Faust-Stöckl“ geht viel weiter zurück. 
Die Gestade der „schönen blauen Donau“ in Oberöster— 
reich mochten Doktor Faust als geeignetes Schlaraffenland 
für seine Wunder angezogen haben.
	        
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