Volltext: Sagen aus dem oberen Mühlviertel (1)

Schlingpflanzen und Gestrüpp üppig überwucherte Steinhaufen, 
lange Gänge, düstere Nischen, Gefängnisse mit dicken Eisen— 
gittern, eine ausgeplünderte Kapelle mit morschem Geraffel, 
eine finstere Kammer mit etlichen Folterwerkzeugen — mahnen 
an die Vergänglichkeit aller Dinge. Raubvögel krächzen auf 
den Trümmern. — Der „Hungerturm“, ein gut erhaltener 
Bau, lugt aus dem weiten Wall—-, beziehungsweise Hirschgraben 
gespensterhaft hervor. Hier verschmachteten wohl viele Unglück— 
— 
welcher zwei eiserne Ringe an Stricken befestigt waren und 
womit das Geschöpf zur Fahrt durch die Lucke verdonnert 
wurde, schaut dir unheimlich entgegen. Viele Klaftern tief, an 
der Grundfeste des Turmes, lag jener lichtleere, dumpfe Raum, 
von dem kein Seufzer mehr ein mitleidsvolles Ohr erreichte. 
Von einem runden Turme, der gähnend seine Trümmer 
über die Felswand streckt, hat der Sage nach ein Ritter sein 
treuloses Weib durch Knechte in die Tiefe stürzen lassen. Auf 
eine wunderbare Weise blieb aber die Frau am Leben und ver— 
weilte Monate lang im Walde unter den wilden Tieren. Da 
kam der Kaiser mit großem Gefolge in jene Gegend und fand 
die Ehebrecherin. Er hatte Mitleid mit dem der Verzweiflung 
nahen Weibe, ließ sie ihrem Gatten zuführen und verzieh 
beiden ihr Vergehen. Doch des Ritters Herz blieb kalt — seine 
Gemahlin hauchte, zutode von ihm gequält, bald ihr Leben aus. 
Im Schlosse Pürnstein lebte einstens eine schöne Gräfin, 
die jahrelang hindurch weder Rast noch Ruhe fand; sie ging 
Tag und Nacht wie eine Wahnsinnige in den Zimmern, Stiegen 
und Gängen auf und ab, kein erquickender Schlaf schloß ihre 
Augen, sie betete vergebens. Doch als sie das Gelübde machte, 
auf den Knien vom Schlosse bis Steinbruch zu beten, wurde 
sie erhört. Dort, wo jetzt das Kirchlein zur heiligen Anna 
steht, verfiel die Gräfin in tiefen Schlaf, der sich nun wieder 
cegelmäßig einstellte. Die Sage läßt der Gräfin die Kirche bauen. 
Pürnstein hieß früher „Eisenbirn“. (7) 
Der „Stephanstritt“. 
Als die Kirche zu St. Stephan am Wald oder Riedl 
„Gad Stepha'“) gebaut werden sollte, einigten sich die Bauleute 
auf den Platz am „Stefinger Bachl“, just an der Stelle, wo 
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