Volltext: Sagen aus dem oberen Mühlviertel (1)

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Freudig-klopfenden Herzens sah sich Michl dem Ziele 
mmer näher: Turm und Häuser des Marktes Rohrbach leuch— 
eten in der Abendsonne und im Hintergrunde winkten die so 
bekannten Bergkuppen des Böhmerwaldes. Doch trügerisch ist 
oft der Gruß! 
Michl dachte an die verhaßten Ueberreiter, welche stets 
auf einen Fang lauerten, um ihren leeren Taschen Geld zu 
verschaffen. 
Im „Maierhoferholz“ bei Rohrbach kroch Scherhäufel in 
einen Asthaufen, es schien ihm etwas nicht geheuer; Schritte, 
von leisent, eigentümlichen Klange begleitet, näherten sich. 
Michl bemerkte trotz des beginnenden Dunkels eine Gestalt 
an ihn heranschleichen, die Flinte wagrecht gegen den Asthaufen 
gerichtet. Michl ergriff krampfhaft einen dicken Ast, mit dem 
er, rasch aufspringend, einen wuchtigen Hieb über den Nacken 
seines Feindes abgab: der Ueberreiter. baumelte rücklings zu— 
saumen und blieb schwerverletzt liegen. Mit dem Aste in der 
Hand verließ Michl das verhängnisvolle Wäldchen und eilte, 
den Häusern des Marktes vorsichtig ausweichend, dem elterlichen 
Heime zu. 
Draußer Pfaffetschlag flüchtete sich Scherhäufel in ein 
Haselnußgestrüpp — laute Männerstimmen hatte er vernommen. 
Endlich, vor des Tages Grauen, überschritt er die Schwelle 
des Vaterhauses. 
Auf den Zehenspitzen gehend, schlüpfte er in die armselige 
Stube — alles schlief! — Beim Anblicke der Ruhenden ver— 
hüllte Michl sein Gesicht mit beiden Händen und unterdrückte 
gewaltsam seine seelische Bewegung. — „Nein, nein, mich sollt 
ihr nicht sehen“, so stand es in Michls Herz geschrieben. — 
Scherhäufel verließ mit beklommenen Gefuͤhlen den Ort, aus 
welchen er einst unter Hundegebell hinausgetrieben wurde. 
Am Waldessaume lag der Davonläufer vom kaiserlichen 
Heere im tiefen Nachdenken auf weichem Moose hingestreckt, 
er suchte die entstandene Herzensschwüle zu verscheuchen durch 
die Hoffnung, daß keine Menschenfeele das Geheimnis seines 
Vorhabens entdecke und des Lebens wechselvolle Wandlung 
sich in Zukunft zum besseren wende. 
In Gedanken weilte er schon am Plöckenstein, am Strande 
des Sees, der so ganz seine Sinne umfangen hielt.
	        
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