Volltext: Wels (VII / 1931)

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Die Stadt Wels zur Römerzeit 
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neu befestigten Orten vorhanden. Nach den angeblichen Siegen über die Alemannen légt 
sich der Kaiser seit Oktober des Jahres 213 den Titel Germanicus bei. Alle die ge— 
nannten Vorbereitungsorbeiten fallen also nahe vor dieses Datum. 
Die bürgerliche Niederlassung zu Enns erhält zu dieser Zeit ihre selbständige Ge— 
meindeverfassung als Munizipium nd Wels wird aus Anlaß der vorgenommenen Befe— 
stigung zur Kolonialstadt erhoben. Nach dem Kaiser Caracalla, der sich nach seinem 
berühmten Vorfahren Marcus Aurelius auch den Namen Aurelius Antoninus beilegte, 
erhält die Stadt den klangvollen Namen: Colonia Aurelia Antoniniana Ovilaba. 
Und jetzt wollen wir uns von dem schon allzu langen geschichtlichen Teil erholen 
und der mit dem neuen Befestigungswerke verseheuen Stadt einen persönlichen Besuch 
machen. Alle lieben Leser sind dazu freundlichst eingeladen. Wir wollen uns voll⸗ 
ständig in die Zeit zurückversetzen. Wir kleiden uns römisch, die Herren umhüllen sich 
mit der Toga, die Damen mit der Tunika. Wir reden nur lateinisch: Salvete omnes 
zine nominibus. Wir befinden uns in Italien, in der großen, lebhaften Grenzstadt 
Aquileia. Wir warten auf die Postwagen, die uns von Aquileia in die unwirtlichen Ge— 
genden nach Norden bringen sollen. Da gesellt sich zu uns ein junger römischer Offi— 
zier, er kann höchstens 20 Jahre alt sein, elegant ausgerüstet, und wir erkennen in ihm 
einen Offizier der kaiserlichen Leibgarde, einen Prätorianer. Als er von uns erfährt, daß 
wir beabsichtigen, die beschwerliche Reise nach Ovilaba zu machen, zeigt er sich hoch— 
erfreut, denn auch sein Ziel ist die Stodt, wohin er eine wichtige Staatsnachricht 
zu bringen hat. Wir erfahren, daß er selbst aus Ovilaba stammt, ein römischer Bür— 
ger ist und einen vollen römischen Bürgernamen, Lucius Saplius Honoratus, trägt. Sein 
Vater, sagt er uns, sei Lucius Saplius Optatus und bekleide das Aumt eines Aedilen, des 
Vorstehers der Marktobrigkeit, in Dvilaba, und sein Onkel, Lucius Saplius Agrippa, sei 
dort Gemeinderat, decurio. Er schließt sich uns freundlichst an und wir beginnen nun 
die mühsame Reise, unterbrochen von vielen Nachtquartieren. Wir sitzen zu viert in einem 
holprigen Wagen, die Pferde sind flink und werden eimnal im Tage an einer Pferde— 
Wechselstelle gewechselt. In der Nachtstation haben wir Gelegenheit, uns bequem aus⸗ 
zuruhen, ein Bad zu nehmen und mit frischen Pferden geht es am nächsten Tag, früh 
morgens, wieder weiter. So gelangen wir von Aquileia nach Virunum nächst dem heu— 
tigen Klagenfurt, von Virunum Iber den Rotkeumanner Tauern ins Enustal und von 
da über den Pyhrn. Ein anderer Teil unserer Gesellschaft hat von Virunum aus eine 
andere Route eingeschlagen und will über den Raͤdstädter Tauern und über Salzburg 
in Ovilaba eintreffen. Die Gruppe, die über den Pyhrn fährt, biegt bei dem heutigen 
Micheldorf nach Vetoniana ab, dem heutigen Pettenbach. Dort übernachten wir auf 
unserer beschwerlichen Reise zum letzten Male und treffen sodaun in einem langen Zuge 
oor der römischen Stadt Ovilaba ein. Wo heute die Wäürzburgersche Ziegelei liegt, 
am Reinberg über dem rechten Traunufer, werden wir aufgehalten, die militärische Brük— 
kenbewachung mustert uns. Vor uns, am anderen Traunufer, liegt in der Sonne, von 
der neuen buͤnkenden Mauer umfoangen, die römische, ausgedehnte Stadt. An der Mauer 
sehen wir die Türme vorspringen, einer vom andern im Abstande von 70 m und wir 
zählen über 50 solcher Türme. Wo sich heute die Eisenbahnbrücke befindet, steht die ge— 
mauerte römische Brücke, an der die vom Reinberg kommende Wosserleitung als massiv 
gemauerker Rohrstrang liegt. Am jenseitigen Brückenkopfe erhebt sich noch neu und in
	        
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