Volltext: Die Republik Österreich

Y. Die wirtschaftlichen Verhältnisse. 
, Die Republik Österreich ist mit den Grenzen, den Bedingungen und 
Lasten, welche die Ententemächte ihr im Frieden von Saint-Germain auf 
erlegt haben, in einer ungünstigen wirtschaftlichen Lage. Gerade die wirt 
schaftlich stärksten, durch fruchtbaren Boden, reichen Bergsegen, vor allem 
durch Kohlenschätze und durch hoch entwickelte Industrie ausgezeichneten 
deutschen Siedlungsgebiete des alten Österreich wurden uns abgesprochen 
und der Tschecho-Slowakei unterworfen. Man hat uns den Zugang zum 
Meer abgeschnitten, die freie Verfügung über unsere Verkehrsmittel ab 
erkannt und unser Eisenbahnnetz verstümmelt. Es sind uns nur 6300 km 
Fahrstrecke geblieben. Aus dem großen Wirtschaftskörper Österreich-Ungarn 
herausgeschnitten, der früheren wirtschaftlichen Zusammenhänge durch die 
Absperrungspolitik der anderen Nachfolgestaaten entbehrend, durch das 
Verbot des Anschlusses an Deutschland in der Anlehnung an ein großes 
einheitliches Wirtschaftsgebiet verhindert, hat die Republik Österreich seit 
ihrem Bestände mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt. Die 
vom Ausland gewährten spärlichen Kredite reichten kaum zur Beschaffung 
der notwendigsten Lebensmittel und der Kohlen hin. Die finanziellen Ver- 
hältnisse der Republik verschlechterten sich in katastrophaler Weise und bis 
zum August 1922 sank infolge der ungeheuerlichen Inanspruchnahme der 
Notenpresse der Wert der österreichischen Krone unaufhaltsam. Österreich 
stand vor einem „Sturz in einen Abgrund von Elend und Not, wie sie außer 
Rußland in der modernen Welt nicht ihresgleichen haben"?) Jetzt erst gelang 
es dem österreichischen Bundeskanzler Dr. Seipel, den Völkerbund dazu 
zubringen, eine Anleihe von 650 Millionen Goldkronen zu garantieren, 
wofür sich Österreich in den Genfer Protokollen vom 4. Oktober 1922 ver 
pflichtete, ein darin vorgesehenes Wiederaufbau- und Reformprogramm 
durchzuführen, das bestimmt ist, der Republik binnen zwei Jahren die Her 
stellung eines dauernden Gleichgewichtes in ihrem Haushalt zu ermöglichen. 
Dieses vom Nationalrat angenommene Wiederaufbauprogramm stellt den 
Versuch dar, mit Anspannung aller Kräfte eine bessere Zukunft vorzubereiten. 
Ans dem MotioeiY ericht der Negierung vom 4. November 1922.
	        
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