Volltext: Über Land und Meer : deutsche illustrierte Zeitung 2. Band 1902 (44. Jahrgang / 2. Band / 1902)

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Ueber Lanä unä Meer. 
erwarten sind. Wie schon bemerkt, ist es vorläufig in Elektrizität eine solche Verbilligung der elektrischen 
erster Linie noch der viel zu hohe Preis der Betriebs- Kraft ermöglichen lassen, daß auch unsre Haus 
kosten, welcher der allgemeinen Einbürgerung hin- frauen die elektrische Küche und die elektrisch ge- 
dernd im Wege steht. Möglicherweise wird sich heizte Wohnung nicht mehr als unerreichbares 
jedoch im weiteren Verlaufe des Zeitalters der Ideal zu betrachten brauchen. Ernst Montanus. 
Scklilleln. 
(Zu den Abbildungen Seite 180 und 181.) 
enn Anfang Dezember die Hochthäler der 
Schweiz „eingeschneit" sind, so daß von 
nun an der Schlittelsport ununterbrochen fast vier 
Monate lang betrieben werden kann, dann berufen 
die Schlittelvereine ihre erste Generalversammlung, 
und wenige Tage daraus finden schon die ersten 
Rennen statt, wozu hauptsächlich drei Arten von 
Schlitten zur Verwendung kommen: der Schweizer 
schlitten. der Seeleton und der Bobsleigh. Von 
ihnen ist der Schweizerschlitten am meisten ver 
breitet, da er als Beförderungsmittel dient und 
daher im Besitz fast aller ist, denen die Gesundheit 
das Schlitteln erlaubt. Er ähnelt sehr den „Käse 
hitschen" oder „Bullerkarren", wie sie in Deutsch 
land bei der Dorfjugend allgemein in Gebrauch 
sind. Gewöhnlich wird er von einer Person ge 
fahren, nur im „Cargo-Rennen" besteht die Be 
stimmung, daß der Herr eine Dame vor sich die 
Bahn mit hinunternehmen muß. 
Der Seeleton ist ebenfalls für eine Person be 
stimmt, man fährt jedoch nicht sitzend, sondern 
liegend, und die Richtung giebt man ihm mit den 
Fußspitzen, an denen eiserne Zacken befestigt sind, 
während der Schweizerschlitten mit den Händen 
oder kleinen, mit eiserner Spitze versehenen Stöcken, 
die an weniger steilen Stellen zugleich als Fort 
bewegungsmittel dienen, gelenkt wird. 
Der Bobsleigh (Abkürzung: Bob) ist noch nicht 
allzulange in den Alpen bekannt, er gewinnt jedoch 
mit überraschender Schnelligkeit immer mehr Be 
deutung. Das Gefährliche und Aufregende und 
der Umstand, daß durchaus nicht jeder ohne weiteres 
zum Bobfahrer sich eignet, mögen nicht wenig dazu 
beitragen. Leider ist aber gerade diese Art des 
Schlittelsportes ziemlich kostspielig, auch wenn man 
ganz von den Reparaturkosten absieht, die alle 
Augenblicke dadurch verursacht werden, daß man 
gegen Steinmauern oder andre harte Gegenstände 
anrennt. 
Die Hinteren beiden Kufen des Bobsleigh sind 
mit dem gepolsterten Sitzbrett fest verbunden; die 
beiden vorderen dagegen sind beweglich und können 
durch starke Stricke, die über kleine Rollen laufen, 
in seitliche Richtung gebracht werden. Das Lenken 
ist Aufgabe des ersten Mannes, des „Steuer 
manns", der überhaupt der eigentliche Befehlshaber 
auf dem Schlitten ist. Der letzte Mann hat die 
Bremse unter sich und muß auf das Kommando 
„druko!" mit aller Gewalt an den aus kräftigen 
Eisen bestehenden Hebeln ziehen. Die ganze Be 
satzung des Bobs zusammen heißt die „Mannschaft". 
Es gehört eine sehr große Uebung dazu, bis die vier 
vollkommen miteinander eingearbeitet sind. 
Während der Rennen, die gewöhnlich auf der 
fast vier Kilometer langen Poststraße stattfinden, 
muß natürlich der Weg frei von jeglichen Fuhr 
werken sein. Das zu erreichen ist jedoch nicht 
schwer, da die Kutscher für einen Schoppen Velt 
liner ganz gern ein wenig warten. 
Kurz vor Beginn der Rennen, morgens etwa 
um zehn Uhr, finden sich die Wettschlittler am 
Start ein und beleben durch ihre bunten Kleidungen 
das helle Winterbild. Wenn ein Schlittelkostüm 
auch nicht unumgänglich notwendig ist, so macht 
es sich doch immerhin ganz nett, wenn bei den 
großen Rennen ein Bob ganz in Weiß, ein andrer 
in Rot, wieder ein andrer mit bunten Fähnchen 
geschmückt erscheint. 
Nachdem die Zeitnehmer den Start markiert 
haben, nimmt der erste Bob hinter dem Strich 
Aufstellung. Die „Mannschaft" setzt sich zurecht. 
Nur der vorletzte Mann nimmt seinen Platz noch 
nicht ein, sondern wartet auf das Zählen des Zeit 
nehmers: „5, 4, 3, 2, 1 — los!", dann schiebt er 
mit ganzer Kraft an den Schultern des zweiten 
Mannes, bis er den Bob in die nötige Geschwin 
digkeit gebracht hat, und springt alsdann geschwind, 
ehe es zu spät ist, auf seinen Platz. Und der Bob 
gleitet weiter, schneller, immer schneller. Eine Ver 
tiefung in der Straße läßt das Fahrzeug tüchtig 
in die Höhe springen, so daß das Eisen klirrt. Da 
heißt es festhalten, um nicht abgeschleudert zu 
werden. Immer schneller wird die Fahrt. Der 
Steuermann hat kein Auge für die Zuschauer, die 
in großen Mengen an den gefährlichsten Stellen 
der Bahn stehen; jedes Stück des Weges sucht er 
im voraus zu erkunden. Jede Muskel ist gespannt, 
straff hält er die Stricke der Steuerung. 
Inzwischen ist auf langer, gerader Strecke die 
höchste Schnelligkeit erreicht — die Geschwindigkeit 
eines Schnellzuges! Ein Bob durchfährt bei guter 
Bahn die 3,7 Kilometer lange Rüti-Strecke bei 
Arosa, die mit 14 Biegungen ausgestattet ist, von 
denen 4 ohne kräftiges Bremsen gar nicht gefahren 
werden können, in 5 Minuten! 
Nun kommt die große Kurve. Ohne Bremsen 
ist sie nicht zu nehmen, wenn anders man nicht 
den steilen Abhang hinunterfliegen will. Also 
„brake!" Eine Schneewolke stiebt hinter dem Bob 
auf. Die Fahrt verlangsamt sich etwas. Schnell 
folgt das Kommando „los!" Mit aller ihm zu 
Gebote stehenden Kraft zieht der Steuermann nach 
links, und die „Mannschaft" wirft sich hinüber 
nach links, um möglichst viel Gewicht nach der 
Innenseite zu legen. Einen Augenblick scheint der 
Bob zu kippen, er läuft nur auf den Außenkusen 
— dann ist die Kurve genommen. Jetzt heißt es 
„bobben"! Gleichmäßig bewegen sich die Oberkörper 
der vier ruckweise vor- und rückwärts, bis bald 
wieder die alte Geschwindigkeit erreicht ist und 
neue Biegungen neue Gefahren bringen. 
Die Verwendung der etwa drei Zentner schweren 
Bobsleighs ist natürlich ausgeschlossen auf den 
künstlich angelegten Eisschlittelbahnen, deren be-
	        
Waiting...

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