Volltext: Über Land und Meer : deutsche illustrierte Zeitung 3. Band 1902 (44. Jahrgang / 3. Band / 1902)

Ueber and und meer 
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Ahaus in Bern: Sitzungssaal 
28 
ationalrats 
dann stets noch 40000 Meilen unter der Sonnen— 
oberfläche. Dieser ungeheure Ball übertrifft an 
Volumen unsre Erde 1300000 mal, und seine Ober— 
läche ist 12000 mal so groß als die Erdoberfläche. 
Wäre also die Sonne ein Weltkörper mit fester 
und flüssiger Oberfläche, so hätten au dieser 12000 
Kontinente von der Größe Asiens, Afrikas, Amerikas 
Europas und Australiens Platz, ferner 12000 Meere, 
jedes von der Ausdehnung unsers Großen Ozeans, 
des Atlantischen, Indischen und der polaren Eis— 
meere, und wenn alle diese Festländer und Meere 
hestimmte Namen trügen, so würde es wahrlich 
eine geringe Leistung sein, diese Benennungen aus— 
wendig zu lernen und stets gegenwärtig zu haben. 
Allein die Sonne ist kein fester Weltkörper wie unsre 
Erde, sondern, wie gesagt, ein glühender Gasball, 
der im Zentrum am heißesten und dort infolge des 
Druckes, der von allen Seiten in dieser Richtung 
tattfindet, auch am dichtesten ist. Vom Sonnen— 
mittelpunkt aus nimmt die Dichte der glühenden 
Gase nach außen hin allmählich ab, ja nach den 
— der allerjüngsten Zeit ist der sichtbare 
Rand der Sonnenscheibe nur eine optische Täuschung 
in Wirklichkeit dehnen sich die glühenden Gase 
über den Rand bis ins Unmerkliche aus. Daß die 
Sonne ein Körper ist, der sich im Zustand höchster 
Glut befindet, daran kann kein vernünftiger Mensch 
zweifeln, auch ist ihre Temperatur höher als irgend— 
welche Temperaturen, die wir künstlich herstellen 
können. Aber wie höoch mag diese Temperatur 
sein, nach Graden unsers Thermometers gemessen? 
Diese Frage ist sehr schwierig zu beantworten, und 
erst in neuester Zeit ist man in dieser Beziehung 
zu einigermaßen befriedigenden Ergebnissen gelangt. 
Noch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts 
nahmen die Physiker an, daß die Sonnentemperatur 
mehrere hunderttausend Grad betragen müsse, ja 
der berühmte Astronom Secchi in Rom schätzte sie 
auf einige Millionen Grad. Damals hatte man 
von den richtigen Verhältnissen, die zwischen der 
stellungen. 
Heute aber 
weiß man, 
daß zwei Kör 
per von glei 
her Tempe 
ratur sehr 
verschieden 
große 
Wärme⸗ 
nengen aus 
trahlen kön— 
ien, je nach 
er Beschaf— 
enheit ihrer 
Oberfläche; 
ußerdem ist 
ekannt, daß 
in nicht un— 
rheblicher 
Teil der 
Sonnen⸗ 
värme bein 
Durchgang 
durch die 
Erdatmo⸗ 
sphäre in 
dieser ver— 
»leibt und 
den Boden 
uicht erreicht 
Diese und 
indre Um— 
tände müs— 
sen in Rech— 
nung gezogen 
werden, 
wenn mar 
die wirkliche 
Warme— 
ausgestrahl⸗ 
len und durch 
das Thermo⸗ 
ueter oder 
das Gefühl 
bemerkbar 
werdenden 
Wärme und 
der Tempe—⸗ 
ratur des 
wärmestrah⸗ 
lenden Kör— 
vers bestehen, 
nach keine 
klaren Vor— 
Aas nerre Bundes! 
1 Bopn 
ToR 
strahlung und die effektive 
Sonnentemperatur ermitteln 
will. Der nächste Schritt ist, 
festzustellen, wie groß in einem 
bestimmten Maße die Sonnen— 
trahlung ist, die jedem Punkte 
der Erdoberfläche zu teil wird. 
Als solches Maß hat man die 
Wärmemenge genommen, die 
xforderlich ist, um auf jedem 
Auadrateentimeter der Erdober—⸗ 
läche ein Gramm Wasser um 
einen Grad zu erwärmen. Ge⸗ 
naue Untersuchungen haben 
dann ergeben, daß die Sonnen— 
Ueber [Land und Meer 
Das neue Bundeshaus in Rern: Vestibüt 
wärme so groß ist, 
daß sie pro Qua⸗ 
rateentimeter ein 
GBramm Wasser 
um 40 0. er— 
wärmt. Mancher 
könnte meinen, 
ARes sei nicht eben 
viel; aber wenn 
nan diese Wärme— 
menge für die 
zanze Erdober— 
Jäche und auf das 
Jahr berechnet, so 
ommt man auf 
ingeheureZahlen. 
Um das Ergebnis 
dieser Berechnung 
urz auszudrücken, 
möge bemerkt 
verden, daß die 
Sonnenwärme 
ausreicht, um 
vährend des Jah— 
res eine Eisschicht 
zu schmelzen, die 
837 Meter hoch 
en ganzen Erdball bedeckte. Das ist also die 
Wärmemenge, die Jahr für Jahr der Erde zu 
eil wird und von der hienieden alle Kraft und 
ede Bewegung bestritten wird: die Bewegung 
er Luft in den Stürmen, die Wellenbewegung 
8 Meeres, der Kreislauf des Wassers von den 
Volken zum Erdboden und in Gestalt von 
Vasserdampf wieder empor zu den Wolken; ferner 
as Wachsen der Pflanzen und Tiere und alle 
zewegungen und Regungen des Menschen bis zu 
en leisesten Zuckungen. Aber die Erde empfängt 
urchaus nicht sämtliche Wärme, die die Sonne 
iussendet, sondern nur den kleinsten, ja einen 
erschwindend geringen Teil davon. Denn die 
zonne strahlt nach allen Richtungen des Weltraums 
Lärme aus, und nur diejenigen Strahlen, die unsre 
zrde treffen, sind in der obigen Berechnung ent— 
salten. Die ganze Wärmestrahlung der Sonne ist, 
die mit mathematischer Sicherheit, d. h. mit abso— 
iter Gewißheit, berechnet werden kann, 2250 Mil—⸗ 
ionen mal größer als derjenige Teil, der der Erde 
uströmt. Erst nachdem diese Wärmestrahlung der 
Zonne auf die Erde festgestellt worden, konnte man 
zazu übergehen, die effektive Sonnentemperatur zu 
rmitteln, und die neuesten Untersuchungen ergaben, 
»aß diese 70000 0. beträgt. Wird auch der Verlust, 
en die Sonnenwärme bei der Strahlung durch die
	        
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