Volltext: Innviertler Heimatkalender 1925 (1925)

Dafür wurde ein Nachtwächter, der in einem verrufenen Orte 
betreten wurde oder sonst mit diebischen oder unehrlichen Leuten 
umging und dessen überführt wurde, nicht nur sofort kassiert, son¬ 
dern vorher noch ant Leibe exemplarisch bestraft. 
Noch eine andere Obliegenheit hatten die Nachtwächter, die ihren 
ohnehin nicht leichten Beruf noch wesentlich erschwerte. Sie mußten 
im Winter alle Stunden den Stadtbrunnen ziehen, damit1 dieser 
nicht einfriere. War ein Brunnen unbrauchbar, so mußten sie dieses 
unverzüglich ihrem Vorgesetzten melden. Auch mußten sie auf die 
Wasserfässer sehen und bei entstandenem Froste das Wasser aus den¬ 
selben gießen. Der Nachtwächter war dafür verantwortlich, daß die 
Wassertonne, die zum Schutze gegen Feuersgefahr an jedem Haufe 
aufgestellt war, nicht zufriere; das Wasser mußte vor dem Sonnen¬ 
aufgang erneut werden. Im Sommer hatte er die Pflicht, das übel¬ 
riechende Wasser auszugießen und wenn Kot oder Unrat nahe an 
den Schleifen lag, davon. Anzeige zu erstatten. 
Selbst bei Tage 'hatte der Nachtwächter feine Ruhe. Wenn ein 
Feuer entstand, mußte er sich sofort auf seinem Posten eiuftnden,. 
Er mußte die Löschgeräte herbeischaffen und während des Brandes 
Wasser zutragen. Für alles das hatte er monatlich einen GehaM 
von drei Reichstalern, der ihm gegen Quittung aus der städtischen; 
Nachtwachkasse ausbezahlt wurde. 
Unter solchen Umständen ist es diesen schwergeprüften Stadt¬ 
dienern säum zu verdenken, wenn ihr Gesang nicht immer ganz 
einwandfrei war, wenn er an Methodik mancherlei zu wünschen 
übrig ließ. Die Zeitgenossen der Nachtwächter haben das recht 
wolhl ersannt und vielfach auch auf Abhilfe gesonnen. Ueber das 
Singen und Abrufen der Stunden durch den Nachtwächter wie über 
jede andere Art des Lärmes, wodurch sie ihre Anwesenheit be¬ 
kanntgaben, |lat man öffentlich viel diskutiert. 
Uralt ist die Formel: „Meine Herren und Damen, tgjft euch 
fag’n, ...dieser Eingang soll darauf zurückzuführen fein, daß 
ehemals, noch vor der Institution der Nachtwächter, die Stadd- 
oder Herrendiener die Stunden ausgerufen haben. Diese riefen 
es in erster Linie zu ihren Herren und „unsere Herren" war in 
»den alten Städten, vornehmlich in 'den Reichsstädten und in der 
deutschen Schweiz, die alltägliche Benennung der Obrigkeit. In 
Göttingen hat man zuerst diese alte Formel abgeschafft’. Dort hatte 
der Nachtwächter nur die Stunde zu fingen, was sich recht langweilig 
anhörte. 
Dazu kam, dlaß tost die Nachtwächter selbst, aus eigene Faust, 
die vorgeschriebenen Strophen „umdichteten", wodurch manche Lieder 
außerordentlich an Tiefe und poetischem Gehalt gewannen'. 
Diese Erscheinungen können wir besonders in den Alpenlän¬ 
dern und auch in den deutschen Weingegenden beobachten. In diesen 
von der Natur so reich gesegneten Ländern hat sich dile Bölks- 
poeste alsc Zeit lebhaft erhalten; nicht nur in Trutzliedern und Wech¬ 
selgesängen kam1 diese zum Ausdruck. Die Nachtwächterlieder waren 
wie dazu geschaffen, ihr eine Unterlage zu geben. Der gutmütig- 
satirische Zug, welcher, den Gebirgsbewohnern ganz besonders zu
	        
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