Volltext: Innviertler Heimatkalender 1925 (1925)

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Oer Nachtwächter. 
Ein kulturgeschichtliches Bild von kl. M. pachinger 
Der letzte Tag des Jahres wird von den bildenden Künstlern 
mit Vorliebe allegorisch dargestellt. Die ganze Mythologie des klas¬ 
sischen Altertums schreitet am Silvesterabend an uns vorüber. Chro- 
nos mit der Hippe und dem Stundenglas ist eine besonders be¬ 
liebte Figur. Seiner begegnen wir allenthalben, zumeist sitzt er 
gebeugt über dem Zifferblatt einer Uhr, die eben die zwölfte Stunde 
zeigt. Ich möchte nun sagen, daß fast gleichwertig mit Chronos 
der deutsche Nachtwächter ist, der, geschmückt mi>t Helmparte, Laterne 
und Hifthorn, uns durch Gesang den Stundenwechsel verkündet. 
Die Institution des Nachtwächters ist uralt. Schon die Römer 
haben ihn gekannt. Die Bestellung derjenigen Leute, welche des 
Nachts in den Gassen der Städte wachen müssen, gehörte zu den 
ältesten Polizeimaßregeln. Es war aber bei diesen Anstalten mehr 
auf die Abwendung der Feuersgefahr Rücksicht genommen als wie 
ans die persönliche Sicherheit des- Bürgers; erst in der späteren Zeit 
kam auch diese Absicht hinzu. 
Die Einrichtung der deutschen Städte, woselbst der Nachtu 
Wächter alle Gassen durchgehen und die Stunden abrufen mußte, 
ist in anderen Ländern unbekannt geblieben. In Berlin verordnete 
Kurfürst Johann Georg im Jahre 1588, daß in der ganzen Stadt 
zum Zwecke der öffentlichen Sicherheit Nachtwächter bestellt werden 
sollten; doch bekümmerte sich die städtische Verwaltung sehr wenig 
nm diesen Erlaß, denn im Jahre 1667 befand sich Berlin noch immer 
ohne Nachtwache. Montagne fand auf seiner Reise durch Deutschland 
das Rufen des Nachtwächters in den Städten höchst sonderbar. 
„Die Wächter," sagt er, „gehen nachts nm die Häuser herum, nicht 
sowohl der Diebe als des Feuers oder anderen Gelärmes wegen. 
Wenn die Uhren schlagen, so muß einer dem anderen aus vollem 
Halse zurufen und fragen, was die Glocke fei, worauf der andere 
ebenso laut antwortet und ihm überdies noch eine gute Wache 
wünscht." 
Der Nachtwächter war eine Magistratsperson, strenge Vorschrif¬ 
ten regelten seine Tätigkeit. Zu seiner Ausrüstung gehörte die 
Helmparte, ein Horn und eine Laterne. Auf dem Horn blies der 
Nachtwächter die Stunden; wann die Sitte des Gesanges dazu /kam, 
läßt sich nicht mehr feststellen. In manchen Orten wurde das Horn 
auch durch eine hölzerne Klapper ersetzt. Diese störte in nicht so 
empfindlicher Form die Nachtruhe der Leute wie die Trompete, die 
auf dem Lande sich besonderer Beliebtheit zu erfreuen hatte. 
Die Vergreifung an einem Nachtwächter wurde sehr scharf 
geahndet. Daraus standen je nach Ansehen der Person Ruten- oder 
Stockhiebe, Pranger und dergleichen. Sollten die Nachtwächter für 
die Sicherheit der Einwohner wachen, so mußte auch ihnen selbst 
alle nur mögliche Sicherheit verschafft werden. Selbst das Nach¬ 
schreien oder Verspotten wurde nicht geduldet, sondern dieser Mut¬ 
wille mit aller Strenge bestraft.
	        
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