Volltext: Innviertler Heimatkalender 1925 (1925)

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lich, wie beim Kuhmelken plötzlich der Simmerl vor ihr gestanden 
und wie er boshaft gelacht, wenn lsie ans der Kuh kein Tröpflein 
Milch m'ehr herausgebracht habe. So und 'so weiter erzählte man 
sich über den sonderbaren Alten und: ärgerte sich nicht wenig, roenr 
man sah, wie er mit seinen paar alten Dienstboten rackerte und 
arbeitete und wie sein SSieh gedieh und seine Felder reiche Ernte 
trugen. Er war ein Knicker auch! für sich und gönnte sich selten den 
sonntäglichen Wirtshauszwang, wie es dort Bei den Bauern Sitte 
ist. Aber wenn er einmal ins Wirtshaus geriet, dann war er 
nicht mehr herauszubringen. Und weiil er das Trinken nicht ge¬ 
wöhnt, so hatte er bald seinen Rausch, und was dann folgte, war 
die Tragödie, die sich stets wiederholte, so oft er ins Wirtshaus 
kam. War der Simmerl sonst ein stiller und mürrischer Kerl, ins 
Rausch kehrte sich sein Wesen um1. Er plapperte unaufhörlich wie 
ein Mühlenrad, und zwar wußte er jedem Menschen etwas Aerger¬ 
lich es zu sagen. Am Schlimmsten war es, wenn ihm jemand die 
Audienz verweigerte, wie dies bei eifrigen Kartenspielern oft der 
Fall war. Wenn ^eine Frage: „Ha, magjst a Watsch'n?" keiner 
Antwort gewürdigt wurde, war er frech genug, tätlich zu werden, 
was ihm freilich meist seht schlecht gMeh. So geschah es, daß der 
Simmerl nie ohne Prügel ans dem Wirtshaus kam und es war, 
als ob er sich von Zeit zu Zeit nach dieser Exekution gesehnt h-ättei. 
Er trug niemandem etwas nach und fand es ganz selbstverständ¬ 
lich, daß dies so sein mußte. Indes wurde aber der Simmerl ein 
.alter Kerl und zum erstenmal warf den fast Siebzigjährigen eine' 
Krankheit aufs Lager. Als es ans Sterben ging, war es eine harte 
Mühe, ihn zum Testamentmachen zu bekommen. Ein weitentfernter 
Verwandter, sein nächster Angehöriger, war arg enttäuscht, als 
außer dem schönen Hos von klingenden Schätzen wenig zu finden 
war. Spärliche Tränen flössen an diesem Grabe, doch eine gewaltige 
Menschenmenge hatte sich eingefunden. Neugierige waren auch viel 
dabei und Neidige noch mehr, die scheel auf den jungen Roitherbauern' 
schauten. Nun wäre eigentlich die Geschichte vom Roither Simmerl 
zu Ende, wenn sie nicht ein merkwürdiges Nachspiel gehabt hätte 
und heute noch hat. Etliche Jahre nach dem Tode dieses Originals, 
dieses armen, verschrobenen Junggesellen, tauchte das Gerücht auf, 
man habe den Roither Simmerl gesehen, und zwar, wie er im 
Walde hinter dem Roitherhofe die Erde umgrub. Auch sei er be¬ 
stimmt an dem Getreidefeld seines Nachbarn gesehen worden am 
hellichten Tage. Die Volksfama aber gab sich damit noch nicht 
zufrieden. Schließlich hieß es kurzweg: „der Roither Simmerl ist 
der Geißbockreiter," jene sagenhafte Gestalt, die um Johanni durch 
der Bauern Getreidefelder reitet und dort die Halme nttter der 
Achte knickt. Und wo man zur Erntezeit den tauben Streifen im 
Ae'htenfeld findet, den sich der Gaisbockreiter geschnitten hat, so 
gilt 'dem1 Roither Simmerl so mancher Bauernfluch, und manches 
furchtsame Mädchenlachen, das sich nicht mehr hell hinauswagt, 
hat er aus dem Gewissen. So ist die Person des Roither Simmerl 
nach wenigen Iahten zur Sage geworden und wird in dieser Ge¬ 
stalt noch lange bei den Menschen dieses Landstriches fortleben.
	        
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