er Schrr^gräbsr.'
Von Ludwig Anzengruber.
Zu erzählen wußte der Zirmhofer, wie schier kein zweiter, das galt für aus¬
gemacht, und me setzte er seine Rede anders, als daß es so herauskam, als wär.
was er vorbrachte, lauter Selbsterlebtes. Es gelang ihm auch eine geraume Zeit
über, bte Leute ber gutem Glauben zu erhalten, bis seine Hörer anfingen, stutzig zu
werden und nachzurechnen, wobei es sich denn herausstellte, daß der Zirmhofer
wenn man nur die Halbscheid dessen, was er mitgemacht, unternommen, gelitten und
genossen haben wollte, gelten ließ, statt seiner fünfundfünfzig Lebensjahre mindestens
ooppett jo vrele hätte zählen müssen.
Nachdem die Leute es einmal weg hatten, daß der Alte es mit der Wahrheit
mcht gar genau nehme, wollten sie sich, als die Gefoppten, auch auf die Beleidigten
w t(Sni ’5er Zirmhofer davon gar keine Notiz nahm und nach wie
vor Glaubhaftes und Unglaubliches mit dem ernstesten Gesichte von der Welt vor¬
brachte nur daß er zeitweilig feinem nunmehr „aufgeklärten" Publikum die kleine
Konzession machte, eine im treuherzigsten Tone gehaltene Erzählung mit einer
schnurre zu schließen, so einigte man sich bald dahin, die Eulenspiegeleien Zirm¬
halten mochte”1611 Un‘3 68 zu überlassen, ob er sie für wahr oder „ausgedacht"
Es war an einem Sonntagnachmittage, der Segen war vorüber, im Reaen
waren die Bauern in die Kirche getrabt, im Regen gingen sie aus derselben und
laßen nun verdrossen in der Wirtsstube, in welcher sich der Qualm aus den Tabaks-
' o Ausdünstungen der am Leibe trocknenden Kleider vermengte und-
eine Lustart erzeugte, in welcher es selbst für abgehärtete Naturen unbehaglich war.
r,, ,,U”teL . zusammengepfercht sitzenden Gästen herrschte denn auch die erdenklich
schlechteste Stimmung, denn der Regen kam den Landleuten, abgesehen davon, wie
„trnntertg" er für ihren Sonntagsstaat war, auch sonst sehr ungelegen, da die Heu¬
mahd vor der Türe stand. Alle Gottessürchtigkeit schien in der Dorfkirche zurück¬
gelassen worden zu sein, denn von vielen Seiten wurden die lästerlichsten Flüche
laut und die nachdrücklichsten Aufforderungen an den Teufel, dareinzuschlagen, alles
8u polen, besonders das Wetter, obgleich man selbst gestand, daß dieses ,,'m Teufel
M schlecht wär".
Stet Zirmhofer faß kopfschüttelnd dabei. Er war ein langer, wie ausgetrocknet
aussehender Mensch, sein scheinbar gutmütiges Gesicht war so braun, wie seine
ernten, dichtbehaarten Hände. Er trug keinen Hut, sondern jahraus, jahrein eine
. . *) Wir bansen es der Verlagsbuchhandlung I. G. Cottas Nachfolger in Stuttgart ganz be¬
sonders, daß fte unS den Abdruck dieser köstlichen Erzählung aus den „Dorfgängen" gestattete.
Jenn mit Recht können wir von Anzengruber sagen: Er war unser I Lenkten sich hener unsere
Si nach Presenham, ehrten wir seinen Franzl, so wollen wir auch nicht vergessen, nach dem
§, °nnayrhos-Gut zu Weng in der Pfarre Hofkirchen an der Trattnach zu schauen, aus dem
wiöwtg Anzengruber hervorging, der große Kämpfer und Dichter. Er war unser I
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