Volltext: Innviertler Heimatkalender 1912 (1912)

Eine aufdringliche Wärme umwallte sie plötzlich, in den erstarrten Gliedern 
begann es auf ganz schmerzhafte Weise zu prickeln und zu rieseln und unter dieser 
unangenehmen Empfindung wachte sie ans, öffnete die Augen und besann sich. 
Sie tag, in eine grobe Kotze eingehüllt, auf einem Feldbette und dieses stand 
in einem Keinen Stübchen, dessen Wände waren von Holz. das einzige Fenster ver¬ 
finsterten hängende Zweige der Tannenbäume und die Tür führte hinaus in den 
Wald. Es war das Innere der Waldhegerhütte und wenn es das war, so mußte 
ein Blechofen dort in der Ecke stehen. Ein wenig hob sie den Kopf, der Ofen stand 
dort und sah rotglühend her, auf dem Stuhle neben dem Bette lag ihr nasses Um- 
hängtnch, das dampfte, und Rauch durchzog die Stube, da mußte sie husten. 
Ein Mann, der in Hemdärmeln nahe dem Ofen stand, ließ das Stück Holz 
und die Feuerzange, die er in Händen hielt, zur Erde fallen und wandte sich um. 
Die wettergebräunte Haut seines Gesichtes stach gar sonderbar gegen die Schnee¬ 
weiße seines struppigen Haares und Schnauzbartes ab und der letztere war bedenk¬ 
lich zwischen der Geierschnabelnase und dem Kinn eingeklemmt. 
Der Waldheger wischte sich mit beiden Aermeln über das schweißtriefende Ge¬ 
sicht. „No, lahnst d' mir endlich auf?" sagte er. „Hab schon glaubt, ehender muß 
ich verbraten und verprasseln. Was hast denn du aber auch bei so ein' Wetter 
heranst z'suchm?" 
„Den Weg nach'm Armen-Leut-Haus," sagte sie. 
„Oho," sagte er und ließ sich ihre Geschichte erzählen, und als sie damit zu 
Ende gekommen war, begann er: „Schau, alt Regerl, was sollst Du Dich in Dein'n 
Täg'n mit fremde Leut' h'rumbalgeu ? Taugts Dir, so bleib bei mir, da is auch a 
Arme-Leut'-Hütt', indem wir — Gott sei Dank — allzwei miteinander nix hab'n, 
aber sriedsam ging's doch zwischen uns her." 
„No, aber was möcht ich denn da verrichten?" fragte Alt-Regerl. 
„Was verricht'st denn dort? In unsre Jahr' reißt mer nix mehr z'samm' und 
baut mer nix mehr auf. In Ruh säßest!" 
„Was taten aber auch d' Leut dazu sagn?" 
„Ei mein, ich denk, wir zwei könnten s' wohl schon reden lassen! Die ein', 
die sich besinnen, daß vorzeiten die Red' war, wir hätten uns einmal gern g'sehn, 
die werd'n sich die Sach reimen, und die andern, denen kein Spruch drauf einfallt, 
die laß du große Augen machen. Bleib Du da und weil wir sich kein' andre Treu 
beweisen durften, soll der, dem's bestimmt is, dem andern die letzte erweisen. No, 
ich für mein Teil nimms nit Gott noch Welt übel, daß 's kommen, wie 's kommen 
is, aber Du, armer Hascher, hast ans Weiberevangeli glauben müssen, ans Mann 
nehmen und Kinder krieg'n; Du hast es auskost't, was s' d' weltlich Freud nennen. 
Zusammengesperrtsein taugteinmal 'm Menschen nit." 
Die alte Regerl setzte sich im Bette auf, schlug mit der Rechten auf die grobe 
Kotze und sagte: „So? Und nun sollt ich mich doch mit Dir da z'sammsperr'n lassen?" 
„Schau," sagte der Waldheger launig, „selb' nit, denn an meiner Tür is nit 
einmal ein Riegel." Er zog den Stuhl au sich und setzte sich neben der Alten an 
das Bett. „Laß Dir sagen, Regerl," fuhr er fort, „wir woll'n der Welt und sie 
uns nix mehr, über dö Zeiten sein mer hinaus. Ich hab mer's all ment Tag un¬ 
lustig g'nng vorgstellt, wenn ihrer zwei sich so as ein Anwesen z'sammsetzen und d' 
Lieb als G'werb betreiben, daß nur die sakermentische Welt ntt ausstirbt; da füllt 
sich d> Stub'n mit Kinder, je größer die werd'n, je nixnutzer werd'n d' Alten, af d'
	        
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