Volltext: Innviertler Heimatkalender 1912 (1912)

100 
Schweizer Art gebaut fein, mag auch diese Art noch so- schön fein; sie ist es nur 
an dem Orte, wo sie gewachsen ist. Das Landhaus soll zeigen, daß es eine Weiter¬ 
entwicklung des Innviertler Bauernhauses ist; soll sich so dem Charakter der Land¬ 
schaft einfügen, daß es — zwar das Kind des 20. Jahrhunderts — doch ersichtlich 
aus demselben Geschlechte stammt wie jenes, das ältere Kind früherer Zeit. Hätte 
man sich an solche Ueberlegungen gehalten, so wäre z. B. das neue Rathaus nie 
in der heutigen Form errichtet worden, es hätte sich beut Charakter des historischen 
Stadtbildes eingefügt in freier organischer Umbildung. Das wäre nicht Konservativis¬ 
mus gewesen, sonbern gerade größter Fortschritt. 
Wir sind damit wieder aus Ried zurückgekommen. Die Schwierigkeit, die Ban- 
ftage in dem eben bezeichneten Sinn zu lösen, fällt ja jedem in die Augen nach 
dem, was ich sagte. Ried ist daran, aus seiner mittelalterlich-bäuerlichen Marktform 
in eine neue, mehr städtische Form überzugehen. Und wir haben zwar Ansätze zu 
einer Lösung ber Frage, aber kaum — vielleicht nur in einem Falle — bie wirk¬ 
liche Lösung erlebt. Aber tu einer Weise ist eine hocherfreuliche Aenderung einge¬ 
treten, nur baß wir mit tiefstem Bebauern sagen müssen, baß sie für bett Augen¬ 
blick wenigstens — bie Zukunft liegt im Dunkel — auch schon wieber erstickt ist. 
Ich meine bie Tätigkeit des ant 18. April 1911 so plötzlich verstorbenen Johann 
Steibl. 
III. 
Ich habe Steibl nicht persönlich gekannt unb weiß von seinem äußeren Leben 
wenig zu erzählen. Er war am 28. Februar 1865 in Haag am Hausruck geboren, 
studierte in Salzburg unb kam im Mai 1899 als Bauleiter ber Öberösterreichischen 
Baugesellfchaft in Linz, welche bamals hier bie Bezirkshauptmannschaft errichtete, 
nach Rieb. Er ließ sich bauernb nieber in ber Stabt unb führte hier unb in ber 
Umgebung (so in Riegerbing, St. Martin) eine Reihe Bauten auf, bie alle eine 
ganz besonbere Eigenart zeigen unb unaufdringlich sich abheben von ben übrigen 
Gebäuden. 
Fällt im Innern ber Stabt ein alter Bau, so ersteht nach unserer Auffassung 
die Aufgabe, den Neubau der Umgebung geschmackvoll anzupassen, ihm aber doch 
individuelle Durchbildung zu verleihen. Das letztere ist allgemein anerkannt, jeder 
Bauherr will in feinem Haus möglichst was Besonderes. Das erstere wird viel 
seltener beachtet. Steibl wurde zunächst vor diese Aufgabe gestellt. Er baute 1903 
das Haus Nr. 4 auf dem Stelzhamerplatze (Hosinger), 1905 für Herrn Berger das 
Haus am Schärbingertor Nr. 6 und bas Haus für Herrn Zechtneister in ber 
Frofchauergaffe Nr. 21; 1906 in ber Bayrhamerstraße das Haus des Herrn Kraus¬ 
mann und in der Bahnhofstraße das Haus des Herrn Brader, baute dann 1908 
auf betn Roßmarkte für Herrn Stefan Huber und in ber Stelzhamerstraße für 
Herrn Hosinger, im nächsten Jahre für Herrn Schober an ber Breitfachgaffe unb 
1910 für Herrn Sehrt ant Kapuzinerberg. Die Finanzwachkaserue (1908) unb fein 
eigenes Hans an ber Bahnhofstraße wären noch anzuschließen. 
Die Anpassung an bie Umgebung gelang ihm bisweilen. Man sehe etwa, wie 
sich bas Haus auf betn Stelzhamerplatze mit feiner Attika ben Nachbarhäusern ein¬ 
fügt, sehr zum Unterschieb von betn Hause Nr. 6. In einem Falle wie beim Schober¬ 
haus war bie Aufgabe nicht zu lösen, bort müssen bie Nachfolger ben Charakter 
ber Straße gestalten. Wichtiger ist bie neue Durchbildung, bie biefe Häuser zeigen. 
Steibl ist in einer Zeit groß geworden, wo man in ber Baukunst auf ben soge¬ 
nannten Barockstil zurückgriff. Das ist sicher für bie teutsche Kunst eine ber 
glänzenbsten Zeiten gewesen. Man benke nur an Prag und Wien, auch Salzburg und 
Linz! Etwas von solchem Geiste spüren wir in allen diesen Häusern. Er sucht
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.