Volltext: Innviertler Heimatkalender 1912 (1912)

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war es ein bedeutender Mittelpunkt. Zumal es 1854 der Sitz eines Kreisgerichtes 
— wiederum für das ganze Jnnviertel — wurde. Auch die Märkte hatten immer 
noch Bedeutung. Aber nun kamen die Eisenbahnen! Mit ihnen die Umgestaltung 
des Handels. 1870 war die Strecke Wels—Simbach eröffnet worden, 1872 schon 
trägt man die Getreideschranne auf dem unteren Hauptplatze ab. Ä)ie Stadt selbst 
rückt zum Bahnhöfe hinaus vor, die Bahnhofstraße entsteht. 1871 werden hier vier 
Häuser, 1873 weitere fünf und 1876 die sechs Klaudihäuser erbaut. Dann läßt die 
Bautätigkeit etwas nach. 1890 wiederum erstehen dort sieben Gebäude, darunter das 
Kreisgericht. 
Ried wird jetzt auch die S ch u l st a d t des Jnnviertels. Dieselben siebziger 
Jahre (1871/4) sehen das große Gebäude für das Gymnasium, die Volks- und 
Bürgerschule erstehen. 
Und in den neunziger Jahren gewinnt die neue Stellung der Stadt im Stadt¬ 
bilde eine neue Ausprägung. 1890 wird unter der Leitung des Ministerial-Jngenienrs 
G. Sachs das neue Kreisgericht erbaut, 1894 ersteht nach den Plänen Raimund 
Jeblingers das neue Rathaus und schließlich folgt 1900/1 die neue Bezirkshaupt¬ 
mannschaft. Man steht, gerade jene Gebäude, von denen wir in der Einleitung 
sprachen und sagten, sie wüßten sich in das allgemeine Stadtbild nicht recht zu 
schicken, gerade diese Gebäude verdanken ihre Entstehung jener Umwandlung in den 
Lebensbedingungen der Stadt. Ried war ein Verwalt unasmittelpuukt, war 
Schulstadt geworden?) 
Zu den alten Handel- und gewerbetreibenden Bürgern war eine neue Ein¬ 
wohnerschicht hinzugetreten, die der Beamten, der Lehrer und Schüler. Gerade die 
siebziger Jahre waren die Zeit, in der die Einwohnerzahl am stärksten stieg. Hatte 
Ried 1858 3601 Einwohner gezählt, so süeg die Zahl in den Jahren 1870—1880 
von 4044 auf 4544?) ; 
Worin Ried dem allgemeinen Entwicklungsgänge anderer Städte nicht folgte, 
das war die Entwicklung zur Industriestadt. Zwar hat es an Versuchen (besonders 
in den vierziger Jahren) nicht gefehlt, doch haben wir auch heute noch nur vereinzelte 
Fabriksbetriebe (Vogl, Vierlinger, Dulliuger, Wilflingseder). Trotzdem prägt sich auch 
das schon im Stadtbilde aus. Zwei der neuen Villen wenigstens gehören diesen 
Industriellen, die eben ein anderes Bauideal haben als die Handelsleute. 
Ich muß noch einmal aus diese Neubauten zurückkommen. So unerfreulich das 
Kreisgericht und das Schulgebäude sind, sie stehen doch abseits von der alten Stadt 
und beeinträchtigen den alten Bestand — wenigstens vom Innern der Stadt gesehen 
—- nicht. Anders ist das beim Rathause und bei der Bezirkshauptmannschaft. Die Aufgabe 
wäre gewesen: neue Gebäude zu errichten, die den neuen Bedürfnissen genügt und 
doch den Charakter des Bestehenden respektiert hätten. Der Hauptplatz ist ein überaus 
geschlossener Platz. Die Zufahrtsstraßen münden so, daß man sie vom Platze selbst 
mcht steht und daß man sich daher ganz eingeschlossen fühlt. Und ein Platz soll 
ja emen solchen geschlossenen Eindruck hervorrufen. Dazu tritt dann noch der Umstand, 
daß bte Häuser säst einheitlich bie Giebelmauer zeigen, betin auch bei Neubauten 
währenb bes 19. Jahrhunberts schloß man sich bieser Bauweise an, wie bas Haus 
Huber zeigt, bas erst 1845 aus zwei Häusern zu einem einzigen vereinigt würbe 
unb seine heutige Fassabe erhielt (stehe bte Abbilbung bes unteren Hauptplatzes 
Seite 93). Auch bas alte Rathaus hatte eine solche Giebelmauer unb fügte sich so 
, r) Auch der Kirchturm erhielt 1868 seine jetzige Form. Und 1892 verschwand mit der 
Spttalskrrche, die 1482 erbaut worden war, ein Bau, der an alte Zeiten erinnern mochte. 
2) Zum Vergleiche: 1890 :4548, 1900 :4744, 1910 :5950.
	        
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