Volltext: Innviertler Heimatkalender 1911 (1911)

78 
er nicht scheinen lassen will, daß ihm selber um's erste gute Einlenken zu tun ist. 
Wann dann die Berge ihre natürliche Waldfarbe wieder kriegen und die ganze 
Schneebläße vergessen haben, wie Wangen, die gesunden; wann die ganze Welt so 
kunterbunt und unordentlich ausschaut, wie ein Zimmer, in dem gerade jemand auf¬ 
gestanden ist; wann die Sonne so viel fleißig und g'schaftig niederscheint, als hatt' 
sie sonst gar nichts zu tun als just nur bei uns da aufzutrocknen und alles auf 
den Glanz herzurichten, dann ist mir allemal zu Mute wie einem Vogel, der an¬ 
hebt zu wispeln und zu pfeifen, weil er nach dem langen Winterschweigen schier 
nimmermehr den Schnabel halten kann. Da kommt mir allerhand in den Sinn. . . 
Es ist nicht wahr, daß ich ein Einsamer bin. Wie ich Student war, da hab' 
ich schon — ein armes, verwaistes Bürschel, das ich gewesen bin — eine Begleiterin 
gehabt. Ja, ja, Begleiterin! Frau Kümmernis hat s' geheißen. Ein steinaltes 
Weibel. Schäbig hat f ausgesehen, aber sie hat das gehabt, was man Konnexionen 
nennt. Zu meiner Schand' muß ich's sagen: respektiert hab' ich s' gerade nicht. Ein 
wenig scheinheilig den Kopf duckt, wann s' mir gar zu grob kommen ist, aber gleich 
wieder hotlaus und kreuzfidel, wann ich nur ein biffel hab' ausschlüpfen können. 
Mit der Jugend hat's halt kein gutes Hausen; herentgegen kommt s' zu alten Leuten, 
ist's freilich was anders; mit denen setzt sie sich zusammen und haltet s' bei den 
Händen und laßt s' nicht aus nicht aus. Wann ich so nachdenk', mein ich 
wohl, sie hat mich schon kennt, wie ich als kleines Bübel in der Wiegen g'legen 
bin. Na und wie ich in die Jahre kommen bin, wo ein jeder, der's mit dem Leben 
ernsthaft nimmt, wie mit einer Preisaufgabe, wo also ein jeder den Grundriß ent¬ 
wirft,zu dem künftigen Luftschloß — da hab' ich's mit der Arbeit gehalten. Ein 
refches Ding, handfest, die Aermeln aufg'streckt — na, wann's Not getan hat, hat 
sie selbst meiner alten Zimmerfrau, der Kümmernis, ordentlich die Leviten gelesen. 
Unter uns: es ist nicht wahr, daß die Arbeit ein Tausendsassa ist, die jedem einen 
Heiltrunk aus Tausendguldenkrauttee kochen kann. Sie hat auch ihre Stiefkinder 
und Aschenbrödeln im Dienst, die keine gläsernen Pantoffeln verlieren können. Um 
mich hat sie sich angenommen, ich bin vorwärts gekommen. Nicht schnell — wie 
mit dem Glück — sondern Staffel für Staffel... 
O Gott und allerhand lernt man kennen. Den Neid, den unguten, zaundürren 
Gesellen, der einem vielerlei Prügel unter die Füße wirft. Die Mißgunst, das 
falsche Frauenzimmer, das einem so freundlich ins Gesicht lacht und einem hinter¬ 
rücks alle möglichen Püffe versetzt. Auch die Frau Kümmernis hat sich noch zeit¬ 
weilig bei mir änschan'n lassen als alte Bekannte. Sie ist so viel anhänglich, das 
Lentl. 
Auch unter meinen sogenannten lieben Nächsten hab' ich allerlei Bekanntschaften 
- gemacht. 
Allerlei! Freunderln genug; Freund keinen einzigen. Nur einmal ein Menschen¬ 
kind, — das hätt’ mir 'taugt. Aber wie 's halt schon ist, man meint, man rennt 
miteinander bis ans Ende der Welt. Und jäh ist ein Kreuzweg da. — — - - — 
Hab' mir 's oft so gedacht, wann ich in den Bergen nmg'stiegen bin. Just 
auf deu schönsten und höchsten Platzerln steht gern ein Marterl! 
Na, und weil ich schon gerade vom Bergsteigen rede. Es gibt solche, denen 
das Hinaufklettern schwer wird; wieder solche, die das Absteigen so viel hart an¬ 
kommt, und dann wieder einige, die das Ebengehen nimmer vertragen können und 
andere, die beim ersten Schritt im Tal das ganze Herzklopfen und alle Mühselig¬ 
keiten vergessen haben. Zu denen gehöre ich. Mich freut 's Wandern auf der Welt 
noch alleweil vom Herzen, 's Ringen und 's Plagen liegt hinter mir; jetzt trab' 
ich schön gemütlich dahin. Schwitz' gern im Sommer, freu' mich über die Frucht-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.