69
Marktgericht ersetzte also im Großen und Ganzen das heutige Bezirksgericht und
Notariat.
Eigentümlich war das Strafausmaß bei Verwundungen. So viele Gulden in
der Bader-Rechnung standen, so viele Pfund Pfennige mußte der Täter als Geld¬
strafe erlegen.
Früher hatte man eigenartige Strafen, welche die heutige Rechtspflege nicht
mehr anwendet. Eine solche Strafe war das Prangerstehen. Die verbrecherische
Person wurde auf öffentlichem Platze zum Spotte ausgestellt. Damit jeder Vorüber¬
gehende die Ursache der Ausstellung erfahre, hing man ihr entweder eine Tafel mit
einer Inschrift oder einen bezeichnenden Gegenstand um den Hals. Gotteslästerer und
Ehebrecher wurden auf der öffentlichen Schandfänle mit entblößten Armen, eine Rute
oder brennende Kerze in der Hand haltend, ausgestellt. Jedem war es gestattet,
mit dem am Pranger Stehenden seinen Spott zu treiben. Man kann sich denken,
tote ein guter Freund und die liebe Straßenjugend diese Gelegenheit weidlich aus¬
genützt haben werden! Auch die Strafe des Stockes, an welchem dem Verurteilten
Hände und Füße angeschlossen wurden, gehörte zur niederen Gerichtsbarkeit; doch
sollte _ sie nicht über eine halbe Stunde dauern. Ebenso stand die Strafe mit Schellen,
Gußeisen, Maulkorb und Strohkranz dem Marktgerichte zu. Eine Geigenstrafe wurde
anfangs vor dem Rathause, um 1740 meistens im eigenen Hause verbüßt.
j3,n 3echte 1617 z. B. verhandelte das Marktgericht über solgende Fälle:
Schlechtes Handraufen, Streichgeben, Schmähung, Maultaschenerteilung, Raufangriff,
^lan- und Blutigschlagen, ausgegossene Jujurienworte Schlägerei, Kindserhaltung,
Schelmenbescheltung, Bartausreißen, Leichtfertigkeit, Maulstreich, nicht eingehaltenen
Kauf und dergleichen.
r^ct^}:e 1765 kernten beim Marktgerichte Strafen vor wegen kleinen Ans-
laufv, Fauststreiche, Schlissl- und Schlankltitnlierung, Kalfakter- und Ranberbeschimpfnng,
verbotenen Spieles, Scheiternachwerfens, Roßtäufcherbefchimpfuug n. s. w.
Wegen Vergehen gegen die Sittlichkeit (Leichtfertigkeit) kommen in den Verhörs-
protototlen Geldwändel, Stocksperren, Bockspanner, Schellenanhängung, Geigenan-
schlagen, Schandfänle, Herumführen in den Gaffen mit einem Strohkranze, Aus¬
peitschen und Bnrgfriedsverweifnng vor. Die Leichtfertigkeit zweier lediger Personen
wurde so bestraft, daß beim erstenmale er drei Pfund, sie zwei Pfund Pfennige
zahlen mußte. Die Leibesstrafe war bei ihm 10 Tage zu Hause die Eisen zu tragen,
tnr jte fünf Tage die Geigen um den Hals. Beim zweiten Falle bekam er sechs
Pftlnd und Burgfriedsverweisung, sie vier Pfund und zehn Tage die Geige. Man
rechnete nach Pfund, weil das Geld bei Zahlungen nicht gezählt, sondern gewogen
wurde. Ein Pfund Pfennige galt in Bayern 8 Schillinge und dieser 30 Pfennige.
Dem Eisenamtmann mußte jede Person für das Anschlagen und Abnehmen
17 Kreuzer bezahlen. Beim dritten Falle wurde die Prozessierung in Bnrghausen
durchgeführt. Profeffionisten, die sich fleischlich vergangen, wurden stets vom Handwerk
suspendiert, bis sie meist später über Ansuchen vom geheimen Rat in München
wieder restituiert wurden. Ans den vielen Leichtfertigkeitsstrafeu ein paar Beispiele:
Als ein wegen Schwängerung verklagtes Mädchen sich weigerte, den Kinds«
eL?n^ n' mu6te ks solange im Arreste bleiben, bis es nachgab. 1719 wurde
etn Bürger Ehebruches halber zu 50 Pfund und einmaliger Aufstellung vor der
Kirchentüre verurteilt.
. Weil die Ehegattin eines Hufschmiedes 1732 um 16 Wochen vor der 95er=
ehelichung Kindsmutter geworden war, so mußte sie vier Taler zahlen: außerdem
erhielt sie 10 Tage Einschließung als Buße für solche Uebereilmtg.