Volltext: Innviertler Heimatkalender 1911 (1911)

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sammen ißt!" Da nannte der Sohn seine Gesellen: Lämmerschling und Schlnckdenwidder, 
Höllensack und Rüttelschrein, Kühfraß, Knickekelch und Wolfsgaumen, Wolfsrüssel 
und Wolfsdarm, — diesem gab seinen Hofnamen die edle Herzogin von Nonnarra 
Narreia, — das sind meine Schulmeister." 
Der Vater sprach: „Und wie nennen sie dich?" 
„Ich bin genannt Schlingdengau, bin nicht die Freude der Bauern, ihre Kinder 
müssen Wasserbrei essen, was die Bauern haben, das-ist mein, dem einen drücke ich 
das Auge aus, dem andern haue ich in den Rücken, den binde ich in den Ameisen¬ 
haufen, den hänge ich bei seinen Beinen an die Weide." 
Da brach der Vater los: „Sohn, die du da nennst und rühmst, wie hitzig 
sie auch sind, doch hoffe ich, wenn ein gerechter Gott lebt, es kommt der Tag, wo 
der Scherge sie faßt und von seiner Leiter hinabstößt." 
„Vater, Gänse und Hühner, Rinder und Futter habe ich dir oft vor meinen 
Gesellen bewahrt, jetzt tue ich's nimmermehr. Ihr sprecht zu sehr gegen die Ehre 
frommer Gesellen. Eure Tochter Gotelind wollt' ich meinem Gesellen Lämmerschling 
zur Frau geben, bei ihm hätte sie das beste Leben gehabt. Das ist jetzt vorbei, 
ihr habt zu gröblich gegen uns gesprochen." Und seine Schwester Gotelind nahm 
er beiseite nnd sagte ihr heimlich: „Als mein Geselle Lämmerschling mich zuerst um 
dich bat, da sprach ich zu ihm: Du wirst gut mit ihr fahren; nimmst du sie, so 
sei ohne Sorge, daß du lange am Baume hängst, fie wird dich mit ihrer Hand 
abnehmen und . zum Grabe auf die Wegscheide ziehen, mit Weihrauch und Myrrhen 
umschreitet sie räuchernd dein Gebein ein ganzes Jahr. Und hast du das Glück, nur 
geblendet zu werden, sie führt dich an ihrer Hand auf Wegen und Stegen durch 
alle Länder; wird dir der Fuß abgeschlagen, sie trägt dir die Stelzen alle Morgen 
zum Bett, und nimmt man dir auch noch die Hand, sie schneidet dir Fleisch und 
Brot bis an dein Ende. Da sprach Lämmerschling zu mir: Ich habe drei volle 
Säcke schwerer als Blei mit feiner Leinwand, mit Röcken, Hemden nnd kostbaren 
Kleidern, mit Scharlach und Zobel, ich habe sie in einer nahen Schlucht versteckt, 
die will ich ihr zur Morgengabe geben. Um das alles, Gotelind, bist du durch 
deines Vaters Schuld gekommen; jetzt nimmt dich ein Bauer, bei dem du Rüben 
graben mußt, und in der Nacht liegst du an dem Herzen eines Unedlen. Ich bin 
sicher, daß ein Hofmann zu meiner Mutter geschlichen ist, von ihm habe ich den 
hohen Mut." 
Und die törichte Schwester sagte: „Lieber Bruder Schlingdengan, mache, daß 
mich dein Geselle heiratet, ich verlasse Vater, Mutter und Verwandte." Die Eltern 
vernahmen nicht die Rede, der Bruder beriet heimlich mit der Schwester. „Ich will 
dir meinen Boten senden, dem du folgen sollst, halte dich bereit. Gott behüte dich, 
ich ziehe dahin, der Hauswirt hier gilt mir so wenig als ich ihm. Mutter, Gott 
segne dich." So fuhr er seinen alten Strich und sagte seinem Gesellen den Willen 
der Schwester. Der küßte sich vor Freuden die Hand und verbeugte sich vor dem 
Winde, der von Gotelind her wehte. 
Manche Witwe nnd Waise ward ihres Gutes beraubt, da der Held Lämmer¬ 
schling und sein Gemahl Gotelind auf dem Brautstuhl, saßen. Die Knappen fuhren 
und trieben auf Wagen und auf Rossen emsig gestohlenen Trank und Speise in 
Lämmerschlings Vaterhaus. Als Gotelind aber kam, ging der Bräutigam ihr ent¬ 
gegen und empfing sie: „Willkommen, Dame Gotelind." „Gott lohne euch, Herr 
Lämmerschling." So begrüßten sie einander freundlich nnd ein alter Mann, weise 
in Worten, stand auf und stellte beide in einen Ring und frug dreimal den Mann 
und die Magd: „Wollt ihr euch zur Ehe nehmen, so sprechet Ja." So gab er sie 
zusammen. Alle sangen das Brautlied, der Bräutigam trat der Braut auf den Fuß.
	        
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