Volltext: Innviertler Heimatkalender 1911 (1911)

Und der junge Helmbrecht packte seine Geschenke aus, dem Vater einen Wetz¬ 
stein, Sense und Beil, die besten Bauernkleinode der Welt, der Mutter einen Fuchs¬ 
pelz, den er einem Pfaffen abgezogen hatte, seiner Schwester Gotelinde eine seidene 
Binde und eine beschlagene Borte, die besser für eine Edelfrau gepaßt hätte, er hatte 
sie einem Krämer genommen. Und er sprach: „Ich muß schlafen, ich bin viel ge¬ 
ritten, mir ist heute Nacht Ruhe not." Da schlief er bis hoch in den andern Tag 
in dem Bette, über welchem seine Schwester Gotelind ein neugewaschenes Hemde aus¬ 
gebreitet hatte, denn ein Leilach war dort unbekannt. So weilte der Sohn bei dem 
Vater sieben Tage. Darauf fragte der Vater den Sohn, wie der Hofbrauch da sei, 
wo er bis jetzt gelebt habe. „Auch ich," sprach er, „ging einst, als ich ein Knabe 
war, mit Käse und (Stern zu Hofe; damals waren die Ritter von anderer Art, 
höflich und von guten Sitten, sie übten ritterliches Waffenspiel, dann tanzten sie mit 
den Frauen und saugen dazu, dann kam der Spielmann mit seiner Geige, unb wenn 
er anfing, stauben bie Frauen auf, bie Ritter gingen auf sie zu, nahmen sie zierlich 
bei ber Haub unb tanzten artig, unb wenn bas vorbei war, kam wieber einer unb 
las aus einem Buche vor bort einem, ber Ernst hieß. Alles war damals in fröhlicher 
Geselligkeit. Die einen schossen mit dem Bogen nach dem Ziel, andere gingen jagen 
nnd pürschen, der schlechteste von damals wäre jetzt wohl der allerbeste. Denn jetzt 
wirb wertgehalten, wer horchen unb lügen kann, Treue unb Ehre sinb in Falschheit 
verkehrt, jetzt sinb bie Turniere nach alter Art nicht mehr Brauch, bafür sinb anbere 
im Schwange. Sonst hörte man im Ritterspiel rufen: Heia, Ritter, sei froh! Jetzt 
fchallt es burch bie Lüfte: Jage, Ritter, jage, jage; stich, schlage, verstümmle bett, 
schlag mir betn ben Fuß ab, hatt biefent bie Hättbe ab, bett sollst bu mir hängen, 
biefen reichen Manu saugen, ber zahlt uns wohl hunbert Pfund. So war es, beute 
ich, früher besser als jetzt. Erzähle bu, mein Sohn, mehr von ber neuen Sitte." 
„Das will ich tun. Jetzt ist bet Hofbrauch: Trink', Herr, trinke, trink', trink' 
bu bies, so trink' ich bas. Man sitzt nicht mehr bei ben Frauen, nur bei betn 
Weine. Das Leben ber Alten, glaubt mir, bie ba leben, wie ihr, bas ist jetzt bei 
Frau unb Mann so verhaßt wie ber Heuker. Baun unb Acht ist jetzt ein Spott." 
„Sohn," sprach bet Vater, „laß ben Hosbtauch fahren, er ist bitter unb sauet. 
Viel liebet bitt ich ein Bauet als ein armer Hofmann, ber jeberzeit um fein Leben 
reiten muß unb barmn sorgen, baß ihn seine Feinbe sangen, verstümmeln unb 
hängen." 
„Vater," sprach ber Junge, „ich batike bis, aber es ist länger als eine Woche, 
baß ich keinen Wein getrunken, feitbem habe ich ben Gürtel um brei Löcher zurück- 
geschnallt. Ich muß Rinber erbeuten, eh' bet Ring wieber an ber Stelle steht, wo 
er früher war. Mit hat ein Reicher schweres Leib getan: über bie Saat meines 
Paten, bes Ritters, sah ich ihn einst reiten, er bezahlte mit's teuer, seine Rinber, 
seine Schafe unb Schweine sollen traben, weil er einem lieben Paten von mir so 
bett Acker zertrat. Ich weiß noch einen reichen Mann, ber tat mir auch schweres 
Leib: er aß Brot zu Ktäpseln, bei meinem Leben, bas will ich rächen. Noch einen 
anbeten Reichen weiß ich, ber hat mir mehr Schmerz zugefügt, als itgenb ein 
anberer; ich wollte es ihm nicht schenken unb wenn ein Bischof für ihn betete, benn 
als er einst bei Tische saß, hat er recht itnanstänbig seinen Gürtel niedergelassen. 
Wettn ich erwische, was sein heißt, soll es mir zu einem Weihnachtskleib Helsen. 
Uttb ba ist noch ein anberer einfältiger Narr, ber blies in einem Becher so un¬ 
schicklich bett Schaum vom Biete. Räche ich bas nicht, so will ich nimmer ein 
Schwert um meine Seite gürten unb einer Frau wert fein. Man hört in kurzem 
Kuube von Helmbrecht." 
Der Vater sprach: „Ei! nenne mit boch bie Knaben, beitte Gesellen, bie bich 
gelehrt haben, einen reichen Mann zu berauben, wenn er Krapfen uttb Brot zu-
	        
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