Volltext: Innviertler Heimatkalender 1911 (1911)

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Vater, die Mutter und euere Kinder." So trabte er durch das Gatter und ritt auf 
eine Burg, deren Herr vom Kampf lebte und gerne die behielt, welche Reiterdienste taten. 
Dort ging der Knappe unter das Gesinde und wurde bald der behendeste 
Reiter. Kein Raub war ihm zu klein und keiner zu groß, er nahm das Roß, er 
nahm das Rind, er nahm Mantel und Rock, auch was ein anderer liegen ließ, 
stopfte er alles in seinen Sack. Es ging ihm das erste Jahr nach Wunsch, mit 
günstigen Segelwinden floß fein Schisflein. Da begann er nach Haus zu denken, 
nahm Urlaub vom Hofe und ritt auf feines Vaters Haus. 
Alles lief zusammen, der Knecht und die Magd riefen nicht: „Sei willkommen 
Helmbrecht!" Das war ihnen widerraten, sie sprachen: „Mein junger Herr, 
seid Gott willkommen!" Er antwortete: „Kindeken, ik wünsch üch ein gut Leven." 
Die Schwester lief ihm entgegen und umfing ihn mit den Armen, da sprach er zur 
Schwester: „Gratia vester!“ Die Alten zogen hintennach und umarmten ihn vielmals, 
da rief er dem Vater zu: „Dien vous salue !u und zur Mutter sprach er böhmisch: 
„Dobra ytra!“ Vater und Mutter sahen einander an; die Mutter sprach zu ihrem 
Manne: „Herr Wirt, uns sind die Sinne verstört, es ist nicht unser beider Kind, 
es ist eine Böhme oder Wende!" 
Der Vater rief: „Es ist ein Welscher; mein Sohn, den ich Gott befahl, ist es 
nicht, so ähnlich er ihm sieht", unb seine Schwester Gotelinde sprach: „Es ist nicht 
euer Sohn, zu mir rebete er lateinisch, es muß wohl ein Pfaffe fein," unb ber Knecht 
meinte: „Was ich von ihm vernommen habe, barnach ist er in Sachsen ober Brabant 
zu Hause, er sprach ick unb Kindeken, es wird sicher ein Sachse sein." 
Da rief ber Wirt mit schlichter Rebe: „Bist bu% mein Sohn Helmbrecht? 
Ehre beine Mutter unb mich, sprich ein Wort deutsch, unb ich selbst will bir beinen 
Hengst abwischen, ich unb nicht mein Knecht." „Ei watt segget ihr Gebureken, min 
Parit, minen klaren Sif soll kein Burenmann nimmer augrippeu." Da erschrak ber 
Wirt gar sehr unb sprach wieber: „Bist bu Helmbrecht, mein Sohn? Noch heut 
Nacht will ich bir ein Hnhn sieben unb eins braten. Seid ihr aber ein Frember, 
ein Böhme ober ein Wenbe, so fahrt hin zu ben Winben. Seib ihr ein Sachse ober 
ein Brabanter, so müßt ihr euer Mahl mit euch führen, von mir erhaltet ihr nichts 
unb währte bie Nacht ein ganzes Jahr. Für euch, Junker, habe ich keinen Met noch 
Weilt, den müßt ihr bei den Herren suchen!" 
Nun war es spät geworden und kein Wirt in der Nähe, der den Knaben be¬ 
halten hatte; so überlegte er und sprach: „Freilich bin ich der, ich bin Helmbrecht, 
einst war ich euer Sohn und Knecht." Der Vater sprach: „Ihr seid es nicht." — 
„Ich bin es doch." — „So nennt mir die vier Namen meiner Ochsen." Da nannte 
ber Sohn bie vier Namen: „Auer, Räme, Erke, Sonne, ich habe oft meine Gerte 
über ihnen geschwungen, es sind bie besten Ochsen ber Wett, wollt ihr mich jetzt er¬ 
kennen ? Heißt mir das Tor ausschließen." Der Vater rief: „Tür und Tor, Gemach 
und Schrein, jetzt soll dir alles offen fein." 
So ward der Sohn wohl empfangen, von Schwester und Mutter weich ge¬ 
bettet, die Mutter rief der Tochter zu: „Lauf, hole ein Polster und ein weiches 
Kiffen." Das ward ihm unter den Arm auf ben warmen Ofen gelegt unb behaglich 
wartete er, bis bas Essen bereitet war. Es war ein Herrenessen, klein geschnittenes 
Kraut mit gutem Fleisch, eine fette Gans am Spieß gebraten, groß wie eine Trappe, 
gebratenes unb gesottenes Huhn. Unb ber Vater sprach: „Hätte ich Wein, heute 
müßt' er getrunken werben; so aber trink, lieber Sohn, vom besten Quell, der je 
aus der Erde floß."
	        
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