Volltext: Innviertler Heimatkalender 1911 (1911)

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Leider kann der Inhalt des Gedichtes hier nur kurz zusammengefaßt werden; 
auch aus dieser unvollkommenen Form wird man den Wert, welchen die Erzählung 
für uns hat, würdigen können. 
So berichtet Wernher der Gärtner: 
„Der alte Meier Helmbrecht hatte einen Sohn. Dem jungen Helmbrecht hingen 
die blonden Locken bis auf die Achsel, er steckte sie in eine schöne seidene Haube, 
welche mit Tauben und Papageien und vielen Figuren gestickt war. Diese Haube 
hatte eine Nonne gestickt, die aus ihrer Zelle wegen einer Liebschaft entronnen war, 
wie das so mancher geht. Bei ihr lernte Helmbrechts Schwester Gotelind sticken 
und nähen; das Mädchen und ihre Mutter verdienten es wohl an der Nonne, sie 
gaben ihr zum Lohn ein Rind, viele Käse und Eier. Schwester und Mutter schmückten 
den Knaben noch mit feinem Linnengewand, einem Kettenwams und Schwert, mit 
Tasche und Gewand und einem schönen Ueberrock von blauem Tuch mit goldenen, 
silbernen und kristallnen Knöpfen verziert, sie leuchteten hell, wenn er zum Tanze 
ging, die Nähte waren mit Schellen besetzt, so oft er im Reihen sprang, klang es 
den Frauen durch die Ohren. Als der stolze Knabe so geschmückt war, sprach er zu 
seinem Vater: „Jetzt will ich zu Hofe gehen, gib auch du, lieber Vater mein, mir 
etwas zu Hilfe." Der Vater erwiderte: „Wohl könnte ich dir einen schnellen Hengst 
kaufen, der über Zaun und Graben springt; aber lieber Sohn, laß ab von der 
Fahrt nach Hofe, Hofbranch ist hart für den, der ihn nicht von Jugend gewöhnt ist. 
Nimm den Pflug und baue mit mir die Hufe, so lebst und stirbst du in Ehren. 
Sieh, wie ich lebe, treu, ehrbar, redlich; ich gebe alljährlich meinen Zehnten und habe 
nicht Haß, nicht Neid mein ganzes Leben durch erfahren. Meier Ruprecht will dir 
sein Kind geben, dazu viel Schafe, Schweine und zehn Rinder. Bei Hofe leidest du 
Hunger, mußt hart liegen und alle Liebe entbehren, dort wirst du der Spott der 
rechten Hofleute, vergebens suchst du es ihnen gleich zu tun, und wieder gerade dich 
trifft der größte Haß der Bauern, am liebsten wird er an dir rächen, was ihm die 
andern vornehmen Räuber genommen haben." Der Sohn aber sprach: „Schweig, 
lieber Vater, nimmer sollen mir deine Säcke den Kragen reiben, nimmer lade ich 
Mist auf deinen Wagen, meinen langen krausen Locken, meinem schönen Rock und 
meiner gestickten Haube stände das übel an, nicht will ich durch ein Weib tatlos 
werden. Soll ich drei Jahre über einem Füllen ziehen oder einem Rind, da ich doch 
alle Tage einen Raub haben kann? Ich treibe fremde Rinder über die Ecke und 
führe die Bauern bei ihrem Haar durch die Zäune. „Eile, Vater, ich bleibe nicht 
länger bei dir." Da kaufte der Vater den Hengst und sprach: „O wehe, ver¬ 
lorenes Gut!" 
Der Knabe aber schüttelte das Haupt, sah sich auf seine beiden Achselbeine 
und rief: „Ich bisse wohl durch einen Stein, so wild ist mein Mut, ich wollte 
Eisen fressen. Ueber Feld will ich traben, ohne Sorge um mein Leben, aller Welt 
zum Trotz." Und beim Scheiden sprach der Vater: „Ich kann dich nicht halten, ich 
lasse dich, aber noch einmal will ich dich warnen, du schöner Jüngling, hüte deine 
Haube mit den seidenen Vöglein und währe dein langes Lockenhaar, du gehst unter 
solche, denen man flucht, die vom Schaden der Leute leben. Mir träumte, ich sah 
dich gehen an einem Stocke mit ausgestochenen Augen, und wieder träumte mir, du 
standest auf einem Baum, wohl anderthalb Klafter waren von deinen Füßen bis auf 
das Gras, über deinem Haupte auf einem Zweig faßen ein Rabe und eine Krähe, 
verworren war dein krauses Haar, zur Rechten strählte dirs der Rabe, zur Linken 
scheitelte dirs die Krähe. Mich reuts, daß ich dich erzogen habe." Der Sohn aber 
rief: „Ich lasse nicht von meinem Willen bis zu meinem Tod. Gott behüte dich,
	        
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