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beneidenswertes Vergnügen zu sein und er wünschte, nur einmal in einem solchen
Armstuhle mit grünseidenen Vorhängen ein Stück Weges getragen zu werden. Der
Wunsch von Stelzhamers Vater ist wohl nicht in dessen Leben erfüllt worden, erst
nach seinem Tode, als sie ihn in jener Sänfte, die man Totenbahre nennt, hinaus¬
trugen zur ewigen Ruhe auf den Gottesacker. Auch bei seinem Sohne, dem Franz,
ist der Wunsch des Vaters erst in Erfüllung gegangen, als er auf den Schultern
des Volkes, das er wie selten einer gekannt, geliebt und geschildert hat, zu seinem
letzten Ruheorte in den Henndorser Friedhof gebracht wurde.
Franz Stelzhamer und Adalbert Stifter waren innig befreundet. Zn Anfang
der Vierziger Jahre verging kaum ein Tag, ohne daß beide sich gesehen hätten. Auch
war Franz von Piesenham einer der ersten, welche den Verfasser der „Studien",'
der „Bunten Steine", des „Wittiko" als Schriftsteller kennen und schätzen lernten.
Merkwürdig ist es — beide wollten in jungen Jahren Maler werden, mußten aber.
ihr Vorhaben bald ausgeben, Stelzhamer, weil es ihm an den nötigen Mitteln
gebrach, Stifter, weil er kein Talent dazu hatte. „Maler willst du sein", ries Stelz¬
hamer im Tone der Ueberraschuug, als sich Stifters Frau als akademische Malers¬
gattin ans einem Dokumente unterschrieb. „Natürlich, du siehst mich doch täglich an
der Staffelei sitzen", erwiderte Stifter ärgerlich. „Freilich, aber gerade darum glaube
ich nicht, daß du ein Maler bist", meinte der Franz. „Wirf den Pinsel weg unb
bleib' bei der Feder."
Stelzhamers Grnndanschauuug über Volkspoesie und Kunstpoesie, Volksbildung
und Kunstbildung, wurde von ihm bei verschiedenen Anlässen, einmal in einem Kreise
von Literaturfreunden im „Alten Blumenstöckl" in Wien 1867, ungefähr so entwickelt:
Der Unterschied von gebildet und ungebildet sei kein derartiger, wie ^ das die Gelehrten
meinen. Ein schlichter Landmann könne ebenso gebildet sein wie ein studierter Herr.
Der Unterschied bestehe vielmehr darin, daß die Bauern ihr Wissen dem Leben und
der eigenen Erfahrung, die höheren Stände den gelehrten Schulen und dem Bücher¬
lesen verdanken. Aber ein Quentchen eigenen Hausverstandes fei oft mehr wert als
ein Pfund vom fremden. Es habe immer Männer gegeben, welche niemals streng
wissenschaftliche Studien betrieben und doch Großes und Unvergängliches geleistet
haben. Auch das Volk besitze feine Lebensphilosophie und seine Weisheit im Urteil,
Spruch und Brauch. Die Schriftsprache sei längst überall in Deutschland ein¬
gebürgert und doch eigentlich nirgends zuhause, während die Mundarten eine Heimat
haben. Aber indem der Zeitgeist vom Besonderen zum Allgemeinen, vom Nationalen
zum Weltbürgerlichen, vom Organischen zum Mechanischen übergeht, würden die Mund¬
arten ihren Wortschaft und die Menschen die Heimatliebe verlieren und die Volks¬
dichter verschwinden.
Wie verhielt sich nun Stelzhamer zum modernen Zeitgeiste ? Alles, was er
sprach und schrieb, ließ erkennen, daß er frei war von den Vorurteilen und Einseitig¬
keiten des Zeitgeistes. Er suchte stets fein Wissen und fein Urteil zu bilden an den
Dingen, an der Wirklichkeit, und ausgerüstet mit dieser Fähigkeit hat er auch in der
Volksmundart ein Epos geschaffen, ,,D' Ahnt", welches zu dem Besten gehört, was
die deutsche Literatur in dieser Gattung* auszuweisen hat.
Aengstliche Rücksichtnahme war nicht Stelzhamers Sache, wo es die Wahrheit
galt oder wenigstens das, was ihm als Wahrheit erschien. Durch Freund Und Feind
ging er feinen Weg; die Furcht anzustoßen, war nicht feine Furcht. Er war schroff
nach außen, aber feinfühlig im Gemüt. Alles Versteckte, Unklare, Erheuchelte war
ihm widerwärtig. Aber weil er sich nicht tragen ließ von den Strömungen der
Zeit, stand er einsam da, nur von Wenigen verstanden, doch nicht ohne Ruhm und
Ansehen. Ja seinem unablässigen Bemühen, die Heimatliebe im Volke nicht erkalten