Volltext: Vom Kriegsausbruch bis zum Ausgang der Schlacht bei Limanowa-Lapanów ; 1. Das Kriegsjahr 1914 ; [Textbd.] ; (1. Das Kriegsjahr 1914 ; [Textbd.] ;)

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Rüstung zum großen Waffengang 
Milizgedankens im Sinne von Jaurès „Nouvelle armée" — grundsätzlich 
die Einrichtung des Kaderheeres und donnerte dann wohl in offener 
Sitzung gegen den „Moloch Militarismus" los. Hinter den Kulissen aber 
wurde im letzten Jahrzehnt vor dem Kriege die Armee doch auch mehr 
oder minder in den stillschweigenden Waffenstillstand einbezogen, den 
die Sozialdemokratie mit dem Staate und der Bureaukratie geschlossen 
hatte. Hiezu kam noch, daß es zwischen der durch das Brünner Pro¬ 
gramm (1899) gekennzeichneten Einstellung der Sozialisten zum öster¬ 
reichischen Problem und dem im Offizierskorps noch immer vorherr¬ 
schenden Großösterreichertum Luegerscher Färbung an Berührungs¬ 
flächen nicht fehlte. Im Sommer 1914 unterschied sich die Einstellung 
der Sozialdemokratie zum Kriege durch nichts von der aller anderen 
deutschen Parteien. Wenn es noch eines Druckes auf die sozialistischen 
Führer bedurft hätte, so wäre er von der Masse der deutschösterreichi¬ 
schen Arbeiterschaft ausgeübt worden. Die Feststellung, daß es gegen 
das „ultrareaktionäre" Zarentum gehe, diente wohl nur zu Beruhigung 
der Gewissen. Wie anderwärts hatte auch in Österreich-Ungarn zu 
Kriegsbeginn eine Sozialistenfrage bis auf weiteres zu bestehen aufge¬ 
hört. Der vaterländische Gedanke hatte über den internationalen gesiegt. 
Nur eine kleine Gruppe Radikaler blieb abseits1). 
Aber auch das nationale Problem schien, für den Augenblick wenig¬ 
stens, von der Bildfläche verschwunden zu sein. Die Erinnerung an den 
Eindruck, den die Armee in dieser Hinsicht im August 1914 hervorrief, 
darf durch spätere Erfahrungen nicht verdunkelt werden2). Mochte es 
auch die Staatsgewalt dem einzelnen unmöglich machen, entgegengesetzte 
Auffassungen frei zu äußern — die Tatsache ist doch kaum zu wider¬ 
legen, daß sich damals noch der größte Teil der habsburgischen Völker¬ 
schaften hinter die schwer gefährdete Staatsgemeinschaft stellte und dem¬ 
gemäß auch ihre Söhne im Waffenrock opferwillig in den Kampf zogen. 
Dabei mag zum Verständnis der Sache sicherlich zu bedenken sein, daß 
die Einstellung der einzelnen Nationen zu den durch den Krieg auf¬ 
geworfenen Problemen mitunter weit auseinander ging. Die Deutschen 
Österreichs kämpften Schulter an Schulter mit den Söhnen aus dem 
Reiche um die Existenz der vor allem von ihnen geschaffenen Großmacht. 
*) B r ü g e 1, Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie, V (Wien 1925), 
176 ff; Friedrich Adler, Vor dem Ausnahmegericht (Jena 1923), 44 ff. 
2) Glaise-Horstenau, Die Katastrophe.— Die Zertrümmerung Österreich- 
Ungarns und das Werden der Nachfolgestaaten (Wien 1929), 23 ff; Derselbe, 
Altösterreichs Nationen im Weltkrieg (Monatsschrift „Neues Reich", 7, Jhrg., 125 ff).
	        
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