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Der Herbstfeldzug 1914 gegen Rußland
San überschreiten, während das an der Weichsel stehende I. Korps zu¬
nächst nur durch Artilleriefeuer mitzuwirken hatte. Erst nach dem ge¬
lungenen Angriff über den San sollte auch dieses Korps den bedeutend
schwierigeren Weichselübergang durchführen. Nur langsam gediehen aber
die Zurüstungen für das Unternehmen. Der Zuschub versagte, Verpflegs¬
und Munitionskolonnen blieben im Morast der tief ausgefahrenen Straßen
stecken und nur mit unsäglichen Mühen konnten die Geschütze in Stellung
gebracht werden.
Das schwere Brückengerät war bei der 37. HID. am 9. Oktober noch
nicht vollzählig eingelangt, bei den übrigen Divisionen des V.Korps
konnte es erst in den beiden nächsten Tagen herangeschafft werden.
Unter diesen Verhältnissen fühlte man wohl beim 1. Armeekmdo. die
schwere Verantwortung anwachsen, die mit einem übereilten Übergangs¬
versuch verbunden war. Auch hatte man im Stabe Dankls am 9. morgens
erfahren, daß es bei Lancut zu einem Zusammenstoß der 4. Armee mit
fünf bis sechs russischen Divisionen gekommen war (S. 387). War es bei
dieser Lage nicht besser, mit der Masse der 1. Armee westwärts des San
flankierend in den Kampf der 4. Armee einzugreifen, als abgetrennt von
der öst.-ung. Hauptmacht über den unteren San nach Norden in exzentri¬
scher Richtung vorzugehen? Als das 1. Armeekmdo. diese Zweifelsfragen
in einem Ferngespräch mit Neusandez am 9. nachmittags zum Ausdruck
brachte, antwortete das AOK., daß jetzt ein Einschwenken der 1. Armee
nach Süden nicht mehr in Frage komme, da der Feind vor der ganzen
Front der 4. Armee bereits den Rückzug hinter den San angetreten habe
(S. 388). Der Sanübergang könne der I.Armee nicht mehr erspart bleiben,
doch brauche er am 10.und auch am 11.noch nicht stattzufinden; auch
die 4. Armee werde frühestens erst am 11. mit dem Übergang beginnen.
Da also das AOK. auf eine möglichst frühzeitige San- und Weichsel-
forcierung jetzt weniger Wert legte, als vielmehr darauf, daß die einmal
angesetzte Überschiffung auch tatsächlich gelang, beschloß GdK. Dankl
am 9. abends, den Übergang erst auf die Morgenstunden des 11. Oktober
festzusetzen.
Inzwischen hatte sich auch die 24. ID. des X. Korps rechts neben der
45. SchD. an den Sanafcschnitt abwärts von Nisko her angeschoben. Die
2. ID. war bis an den Lçgflufi in die Gegend nördlich von Stany gelangt,
während die 9. und die 2. KD. der 4. Armee die Sanbewachung im Ab¬
schnitt von Rudnik übernommen hatten. Die technischen Vorbereitungen
für den Übergang konnten aber auch am 10. noch nicht beendet werden,
weshalb sich das 1. Armeekmdo. entschließen mußte, die Ausführung des