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Der Herbstfeldzug 1914 gegen Rußland
die Nord- und Südfront von Przemysl vor. Ein Detachement, das vom
Festungskmdo. am 23. San aufwärts gegen Bachorz vorgetrieben worden
war, um einen Munitionstransport von Dynów einzuholen, fand den Weg
dahin schon vom Feinde verlegt. Am 26. September abends war Przemysl
von der Außenwelt vollständig abgeschlossen.
Während der letzten Septemberwoche beschränkten sich die Russen
darauf, ein wenig wirkungsvolles Feuer gegen die Festungswerke zu
unterhalten, obwohl Gen. Iwanow einer möglichst raschen Einnahme des
Platzes große Bedeutung beilegte. Er hatte nach der Austragung der
Lemberger Schlacht schon am San den Vormarsch eingestellt, da er glaubte,
die Operationen gegen Krakau mit der Festung Przemysl und ihrer ver¬
meintlichen starken Offensivbesatzung im Rücken nicht ungefährdet weiter¬
führen zu können. FML. Kusmanek, der rührige Festungskommandant,
suchte durch rege Artillerietätigkeit und kleinere Ausfälle dem Gegner
den Ausbau der Einschließungslinie möglichst zu erschweren. In den
ersten Oktobertagen konnte das Festungskmdo. überraschenderweise den
Abmarsch feindlicher Kräfte aus dem Bereiche der Festung feststellen
(S. 373). Es waren die Infanteriedivisionen der russischen 3. Armee, die
durch die neue Belagerungsarmee — später russische 11. Armee — abge¬
löst wurden und an Stelle der 5. Armee in den Raum westwärts von
Jaroslau marschierten. Zur gleichen Zeit waren aber auch deutliche An¬
griffsvorbereitungen der Russen gegen die Festung erkennbar.
Gen. Brussilow, der Oberbefehlshaber der in Galizien stehenden
Russen, hatte inzwischen beschlossen, die Festung sogleich anzugreifen.
Er hatte Nachrichten erhalten, daß angeblich ein Teil der Besatzung von
Przemysl wenig zuverlässig sei; auch die fortifikatorische Stärke der
Festung erschien ihm nicht bedeutend. Dazu kam die Wahrscheinlichkeit
eines neuerlichen öst.-ung. Vormarsches. Alles dies veranlaßte ihn, rasch
und rücksichtslos zu handeln, um die Sanfestung noch vor dem Eintreffen
des Entsatzheeres zu Fall zu bringen. Noch am 2. Oktober wies Brussilow
den Gen. Schtscherbatschew, der die Einschließungstruppen am rechten
Sanufer befehligte, an, mit den Vorbereitungen für den gewaltsamen An¬
griff zu beginnen. In fieberhafter Eile verstärkte Brussilow die Belagerungs¬
armee durch das XII. Korps (12. und 19. ID.), die 3.SchBrig. und die
65. RD. der 8. Armee sowie durch drei schwere Kanonen- und drei Mörser¬
divisionen, unterstellte alle diese Kräfte dem Gen. Schtscherbatschew und
hieß ihn am S.Oktober den Angriff auf die Festung eröffnen1).
1) TscherkassoWj Der Sturm auf Przemysl (in russischer Sprache, Moskau
1927), 38 ff.