Volltext: Vom Kriegsausbruch bis zum Ausgang der Schlacht bei Limanowa-Lapanów ; 1. Das Kriegsjahr 1914 ; [Textbd.] ; (1. Das Kriegsjahr 1914 ; [Textbd.] ;)

Conrad und das deutsche Ostheer 
333 
Frieden „um den Kern wie um den heißen Brei herumgegangen sind1)", 
so hat er damit nicht so ganz Unrecht. Die Einleitung der gemeinsamen 
Kriegführung im Osten kam wirklich nicht über die bescheidensten Ansätze 
hinaus. Aber daß Moltke dem öst.-ung. Chef des Generalstabes einen Stoß 
über den Narew versprochen hat, ist doch wohl nicht zu widerlegen, wobei 
angesichts der späteren tatsächlichen Geschehnisse auf eine nähere Er¬ 
örterung dessen, ob ein Stoß in der „Richtung Siedlec" oder „über Siedlec" 
verabredet war, füglich verzichtet werden kann2). Andererseits ist freilich 
nicht zu leugnen, daß in den Erwägungen des deutschen Generalstabes 
über die Kriegführung im Osten, seit die Hauptmasse des Heeres zuerst 
nach Westen fahren sollte, der defensive Gedanke, sich zunächst die gegen 
Ostpreußen aufmarschierenden Russen vom Leibe zu halten, gegenüber 
anderen Plänen weit überwog. Das war an sich verständlich, schloß aber 
die Erfüllung des dem Verbündeten gegebenen Versprechens in begrenz¬ 
tem Maße noch keineswegs aus. Wesentlich war nur, welche der beiden an 
den Grenzen Ostpreußens aufmarschierenden Russenarmeen man früher 
angehen wollte, die am Njemen oder die am Narew. Griff man zuerst 
gegen den Narew an, mit der russischen Njemenarmee im Rücken, dann 
mochte im allgemeinen die Handlungsfreiheit des deutschen Ostheeres 
gegen Süden hin recht beschränkt sein. Erledigte man hingegen zuerst 
die Njemenarmee, dann hatte man später gegen die Narewarmee hin¬ 
reichende Bewegungsmöglichkeit, um auch den Wünschen des Verbündeten 
wenigstens einigermaßen entgegenzukommen. Dabei ergab sich im Ernst¬ 
fall, daß es am Ende nicht unbedingt entscheidend war, ob sich wirklich, 
wie Conrad es zu Zeiten für möglich hielt, der Stoß über Siedlec hinaus 
führen ließ, oder ob der Druck nur bis zum Narew oder knapp über 
diesen hinweg wirksam werden konnte. Deutscherseits wird einstimmig 
!) G r o e n e r, 114. —- Zum „Stoß auf Siedlec" hat die Kritik des großen Krieges 
vielfach Stellung genommen. Außer den betreffenden Abschnitten bei K a b i s c h, 
Moser, Freytag-Loringhoven usw. ist von Zeitschriftenaufsätzen besonders 
zu erwähnen: Kiszling, Das deutsche Ostheer im Sommerfeldzug 1914 (Mil. wiss. 
Mitt., Jhrg. 1924, 385 ff). — Horsetzky, Österreichische Randglossen zum Buche 
eines preußischen Generals (Öst. Wehrzeitung, Jhrg. 1925, Folge 11 und 12) ; — ferner 
der Meinungsaustausch Steinitz-Schäfer (Deutscher Offizierbund, Jhrg. 1927, 
Nr. 7, 9 und 13). 
2) Bezeichnenderweise versicherte auch GM. Graf Waldersee, bei Beginn des 
Krieges Chef des Generalstabes der 8. Armee, den Gdl. Conrad am 24. Jänner 1913 
in Wien, daß sich das deutsche Ostheer an und östlich der unteren Weichsel versam¬ 
meln werde, um mit dem rechten Flügel gegen Warschau anzugreifen (Conrad, 
III, 87 f).
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.