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Rüstung zum großen Waffengang
mittelbar zu decken vermochten. Die Kolubara war als erster Abschnitt
gedacht in der seit dem Sommer 1913 gehegten Hoffnung, daß sich bis
dahin Bulgarien ¿um Eintritt in den Krieg gegen das verhaßte Serbien
entschieden haben werde1), womit nicht nur das Schicksal Serbiens,
sondern auch das Montenegros besiegelt gewesen wäre.
Der Kriegsplan des Generalstabes gegen Rußland und die durch ihn
bedingten Vorbereitungen wurzelten in den Abmachungen, die Gdl. Con¬
rad und GO.Moltke seit dem 1. Jänner 1909 in Briefen und zeitweiligen
Besprechungen festgelegt hatten. Beide stimmten in der Annahme über¬
ein, daß Rußland mit zwei Armeen (etwa 16 bis 20 Divisionen) an der
Ost- und Südgrenze Ostpreußens aufmarschieren und angreifen, die
Masse seines Heeres jedoch gegen Österreich-Ungarn ansetzen werde.
Im Winter 1913/14 vermutete der k. u. k. Generalstab, daß der Feind
mit einer starken Kraft (bis zum 20. russischen Mobilisierungstag etwa
4 Kavallerie- und 14 Infanteriedivisionen, bis zum 30. Tag 24 Infanterie¬
divisionen) zwischen Weichsel und Bug, dann mit je einer Armee bei
Rowno (2 Kavallerie- und zuerst 7, dann 12 Infanteriedivisionen) und
bei Proskurow (S Kavallerie- und anfangs 10, später 16 Infanteriedivi¬
sionen) aufzutreten beabsichtige. Zwischen Dniester und Pruth erwartete
man nur schwächere Kräfte (1 bis 2 Kavallerie- und 4, nachher 8 In¬
fanteriedivisionen). Das Gesamtaufgebot Rußlands gegen die Donau¬
monarchie wurde daher bis zum 20. Mobilisierungstag auf 12 bis 13 Ka¬
vallerie- und 35 Infanteriedivisionen, bis zum 30. auf 60 Infanteriedivi¬
sionen geschätzt. Um wieviel sich der russische Aufmarsch durch die
zahlreichen Probemobilisierungen und sonstige Maßnahmen, die noch vor
der offiziellen Mobilmachung getroffen werden mochten, gegen die eben
ausgeführte Annahme beschleunigt haben konnte, ließ sich nicht vorher¬
sagen. Daß der Feind das Land westlich der Weichsel vor Aufnahme der
Feindseligkeiten räumen werde, galt als gewiß.
Den Plan, wie der Krieg gegen Rußland zu führen sei, hatte
Gdl. Conrad in den Grundzügen schon im Jahre 1909 entworfen, ohne
späterhin wesentlich davon abzuweichen. Ob er dabei an alte Vorbilder
anknüpfte, wissen wir nicht. In der Tat hatte schon FM. Freih. v. Heß
während der Krise 1854/55 die Absicht, einen Kampf gegen Rußland
durch einen Vorstoß aus Ostgalizien gegen Norden einzuleiten 2) und auch
!) Vgl. Fried jung, Das Zeitalter des Imperialismus 1884—1914 (Berlin 1922),
III, 294 ff; Pribram, Austrian Foreign Policy 1908—1918 (London 1923), 46 ff.
2) Glaise-Horstenauj Franz Josephs Weggefährte (Lebensbeschreibung
Becks, Wien 1930), 285ff, 342ff.